Europa darf den Terror in Belarus nicht länger ignorieren

Der Sommer 2020 hat Belarus verändert. Landesweit haben Hunderttausende gegen die gefälschten Wahlen und gegen Diktator Alexander Lukaschenko protestiert. Jüngere, Ältere, Student*innen, Arbeiter*innen, Frauen und Männer wollten einen Wandel, sie wollten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Belarus ist geografisch nah. Von Berlin bis nach Minsk sind es nur etwas mehr als tausend Kilometer. Doch politisch war die Diskrepanz noch nie so groß wie seit der brutalen Niederschlagung der Proteste: In den vergangenen 15 Monaten wurden mehr als 40.000 Menschen verhaftet, unabhängige Beobachter*innen haben mehr als 4.500 Fälle von Folter durch den Sicherheitsapparat dokumentiert und es gibt aktuell mehr als 800 politische Langzeitgefangene – mehr als je zu Sowjetzeiten.

Mutige Frauen wie Alena Maushuk, Natallia Hersche oder Maria Kolesnikowa wurden in Scheinprozessen zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Tausende Menschen sind wegen der anhaltenden politischen Verfolgung aus Belarus geflohen, der Terror des Regimes ist alltäglich geworden: willkürliche Festnahmen, Exmatrikulierungen, Entlassungen und immer wieder Razzien.

In den vergangenen Monaten haben die Behörden alle relevanten unabhängigen Medien in Belarus geschlossen und zahlreiche Journalist*innen inhaftiert. Seit Juli wurden mehr als 270 NGOs verboten, seit Oktober gibt es keine einzige legal zugelassene Menschenrechtsorganisation in Belarus mehr. In dem osteuropäischen Land wurden faktisch alle kritischen Stimmen mundtot gemacht. Selbst das Abonnement eines oppositionellen Telegramkanals steht mittlerweile unter Strafe und Menschen werden nur aufgrund ihrer Kommentare in Sozialen Medien verhaftet. Wegen des allgegenwärtigen staatlichen Terrors trauen sich die Menschen nicht mehr zu Protesten auf die Straße. Es herrscht ein Klima der Angst.

Europa darf jetzt die Belarus*innen nicht alleine lassen! Die demokratischen Regierungen müssen gemeinsam handeln, es braucht weitere Strafmaßnahmen gegen das herrschende Regime: Dringend angebracht sind ein Verbot der Werbung internationaler Unternehmen in den belarussischen Staatsmedien, ein Handelsverbot mit belarussischen Staatsanleihen sowie Einreiseverbote und Sanktionen gegen den belarussischen Außenminister Uladsimir Makej und alle anderen Regierungsmitglieder.

Und statt der rot-grünen belarussischen Flagge, die das Lukaschenko-Regime repräsentiert, sollte international die weiß-rot-weiße Flagge verwendet werden. Das wäre zwar nur eine kleine Geste, aber eine mit großer Symbolkraft für die Menschen in Belarus. Für jene, die unter diesen Farben im vergangenen Sommer Mut fassten und anfingen, sich gegen das Unrecht zu wehren.

 

Marco Fieber, Vorsitzender der deutsch-schweizerischen Menschenrechtsorganisation Libereco – Partnership for Human Rights