Frieden, Krieg und Wettrüsten: Europa in Gefahr

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine findet kein Ende. Die Ukraine wird weiter zerstört und viele Menschen verlieren ihr Leben. Nach dem Scheitern der ukrainischen Offensive haben die Russen mittlerweile die Initiative ergriffen. Aber ihre militärischen Fortschritte sind sehr begrenzt. Der Krieg ist zu einem Stellungskrieg geworden, der zugleich ein Abnutzungskrieg mit entsetzlichen Verlusten ist. Die Ukraine steht wegen fehlender Waffen, Munition und Soldaten unter Druck. Sie verteidigt sich und kann dabei wieder verstärkt auf Hilfe aus den USA setzen, wo das Repräsentantenhaus endlich 60 Milliarden US-Dollar für Rüstung frei gegeben hat.

Deutschland steht mit 17 Milliarden Euro mittlerweile an zweiter Stelle der weltweiten militärischen Unterstützung der Ukraine, auch weit beispielsweise vor Frankreich (0,54 Milliarden Euro). Richtig und wichtig sind die finanziellen, ökonomischen und humanitären Hilfen für die Menschen in der Ukraine. Zugleich können wir über jede abgefangene russische Rakete froh sein, da sie nicht Wohnhäuser, Krankenhäuser oder die Energieinfrastruktur zerstört und Menschen tötet. Deswegen ist die Lieferung von Luftabwehrraketen für die Ukraine nachvollziehbar.

Damit einhergehend sollte die Lieferung von bestimmten Waffentypen sorgfältig abgewogen werden, damit der Krieg nicht auf ganz Europa übergreift. Immer noch ist die Entscheidung des Bundeskanzlers richtig, keine Taurusraketen für die Ukraine bereitzustellen, weil bei deren Einsatz deutsche Soldaten beteiligt wären. Damit würden die Risiken einer unkontrollierbaren Eskalation steigen. 66 Prozent der Bevölkerung erachten den Kurs des Kanzlers in dieser Hinsicht als richtig. 

Zugleich müssen die Anstrengungen verstärkt werden, endlich der Diplomatie ein größeres Gewicht zu geben. Dieser Krieg wird durch Verhandlungen beendet, je früher desto besser. In diese Richtung weist der Vorschlag des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, den Krieg einzufrieren, um einen Waffenstillstand mit anschließenden Friedensgesprächen zu erreichen. Seit mehr als einem Jahr ändert sich am Frontverlauf wenig bis nichts. Wie viele Menschen hätten ihr Leben retten können, wenn dieser Krieg mit einem Waffenstillstand gestoppt worden wäre, wie es der damalige US-Militärchef Mark Milley forderte?

Mit dem Krieg gewinnen die Anhänger*innen der „Abschreckungspolitik“ wieder Zulauf, womit sich die Aufrüstungsspirale weiterdreht. Oft wird in den veröffentlichten Debatten der Eindruck erzeugt, der Westen gäbe zu wenig Geld für Rüstung aus. Jedoch zeigen die Zahlen etwas ganz anderes. Die europäischen NATO-Länder und Kanada haben ihre Budgets von 235 Milliarden US-Dollar im Jahr 2014 auf geschätzte 380 Milliarden US- Dollar im Jahr 2024 erhöht, dies entspricht einer Steigerung um mehr als 60 Prozent. Die Gesamtausgaben der NATO, einschließlich der USA, erreichten im Jahr 2023 zusammen 1.160 Milliarden US-Dollar. Der russische Rüstungshaushalt ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen und wird für das Jahr 2024 auf etwa 109 Milliarden US-Dollar geschätzt. Er umfasst knapp ein Drittel des gesamten Staatshaushalts. Russlands Militärausgaben betragen allerdings nur zehn Prozent der Ausgaben der NATO, wenn man die US-Ausgaben mit einbezieht. Allein Frankreich (53,6 Milliarden US-Dollar) und Deutschland (55,8 Milliarden US-Dollar) haben 2022 insgesamt so viel ausgegeben, wie Russland jetzt plant.

So wird ein deutliches Übergewicht der NATO bei den Aufrüstungsausgaben deutlich. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man die Zahl der Soldaten oder die Ausrüstung mit Kampfflugzeugen, Kampfpanzern, Raketen, Kriegsschiffen und U-Booten vergleicht. Auch hier ist die NATO Russland militärisch hoch überlegen. Somit wäre einem Angriff Russlands auf einen NATO-Staat, was immer wieder von unterschiedlichen Expert*innen behauptet wird, wenig Aussicht auf Erfolg beschieden. Ein grundlegendes Problem in der europäischen Verteidigungspolitik besteht darin, dass Rüstungs- und Verteidigungspolitik weitgehend national ausgerichtet ist. Hier bedarf es einer grundlegenden besseren Zusammenarbeit.

Wir müssen jene stoppen, die die Kriegstrommeln schlagen, von einem Siegfrieden Russlands gegen die Ukraine schwadronieren und pazifistische Ansätze denunzieren. Auch darauf kommt es am 9. Juni, dem Tag der Europawahl, an. Dem Frieden eine Chance geben: Wählen gehen und der SPD die Stimme geben!

 

Text: Prof. Dr. Dietmar Köster, MdEP