Antisemitismus und Hassreden auf Social-Media-Plattformen
Die Social-Media-Plattformen spielen eine große Rolle in der Meinungsbildung. Das Smartphone ist schnell zur Hand und somit gibt es einen dauerhaften Zugang zu Medien, Meldungen und Nachrichten. Neben einer normalen Mediennutzung lassen sich auf den Plattformen auch offenkundige Fake-News und antisemitische Hetze finden, die im Netz als Brandbeschleuniger fungieren und zu Gewalthandlungen aufrufen.
Die Löschrate von antisemitischer Hetze auf Social-Media- Plattformen ist erschreckend gering. Anlässlich des diesjährigen Gedenktags der Opfer der Novemberpogrome vom 9. und 10. November 1938 nahm ich mit sechs weiteren Abgeordneten auf Initiative des Internationalen Instituts für Bildung, Sozial- und Antisemitismus-Forschung an dem Versuch „Online Antisemtism – The EU Strikes Back“ teil.
Mir wurden fünf Links für Twitter, YouTube und Facebook zugeschickt, die antisemitische oder die Shoa leugnende Beiträge enthalten. Da ich selbst Facebook und Instagram für meine politische Arbeit nutze, konzentrierte ich mich auf Facebook. Ich meldete über den von Facebook vorgesehenen Beschwerdeweg Antisemitismus und Shoaleugnung, was ich beides reichlich fand: Vier der fünf Links beinhalteten antisemitische Hetze und Hass. Der fünfte Post leugnete die Shoa. Ich entschied mich, alles zu melden.
Leider wurden, bezogen auf den gesamten Versuch, von neunzig antisemitischen Online-Beiträgen lediglich zehn gelöscht. Von den dreißig gemeldeten Beiträgen auf Facebook wurden nur drei entfernt. Mich entsetzte die Benachrichtigung, dass der Beitrag, der die Shoa leugnet, weiterhin verfügbar bleibt. Der Inhalt sei nicht bedenklich, so Facebook, die auf nicht weiter definierte Gemeinschaftsstandards verwiesen.
Am 9. November jährten sich die Novemberpogrome von 1938, die bis dahin der Höhepunkt der Gewaltmaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung waren und mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 begonnen hatte. Es ist in Deutschland verboten, den Völkermord an den europäischen Juden und Jüdinnen öffentlich zu billigen, zu verharmlosen oder zu leugnen. Dennoch gibt es Menschen, die die Geschichte umdeuten und dies in Social-Media-Beiträgen kundgeben.
Ich bin entsetzt, wie einfach antisemitisches Gedankengut in den sozialen Netzwerken gepostet und geteilt werden kann. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Dies regelt in Deutschland das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), wodurch Social-Media-Plattformen wie Facebook verpflichtet werden, gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen. Innerhalb von 24 Stunden müssen Beiträge, die öffentlich zu Straftaten aufrufen, beleidigend oder bedrohend sind, gelöscht werden.
Der Versuch macht deutlich, dass Social-Media- Plattformen den gesetzlichen Bestimmungen nachkommen müssen. Der Handlungsbedarf ist enorm. Es muss mehr Sichtbarkeit für dieses Problem geschaffen werden. Wir alle übrigens können in einem Selbstversuch Beiträge melden. Somit können wir Druck auf die Plattformen ausüben, dass Antisemitismus und Hassrede auch online inakzeptabel sind.
Die Plattformen wie Facebook, Twitter oder YouTube sind in der Pflicht, solche Beiträge zu verbieten und schnellstmöglich zu löschen. Zudem sollten die Betreiber*innen verpflichtet werden, auf ihren Plattformen Aufklärungsarbeit gegen Antisemitismus zu leisten. Das wären wichtige Schritte, Antisemitismus zu bekämpfen.
Text: Dietmar Köster, Katharina Schuler