Gastbeitrag: Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer

Am 6. April 2022 erklärte der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel: „Ich habe eine Botschaft für die russischen Soldaten auf dem Schlachtfeld. (…) Wenn Sie keine Verbrecher sein wollen, lassen Sie die Waffen fallen.“ Zugleich merkte er an, dass es eine gute Idee sei, ihnen Asyl zu gewähren.

Nun ist das ein halbes Jahr her und seitdem ist auf der Ebene der Europäischen Union nichts dazu passiert. In vielen Ländern der EU ist es nach wie vor unklar, ob russische Deserteure und Verweigerer einen Schutz erhalten. Die deutsche Bundesregierung hatte immerhin erklärt, dass Deserteure Asyl erhalten sollten, weil ihre Tat in Russland als politische Handlung angesehen werde.

Die Regelung der EU-Qualifizierungsrichtlinie, dass Verweigerer völkerrechtswidriger Kriege Flüchtlingsschutz erhalten sollen, geht jedoch ins Leere, weil die vom Europäischen Gerichtshof gesetzten Kriterien für fast niemand zu erfüllen sind. Und offen bleibt auch die Frage, was mit denjenigen ist, die so klug waren, sich der Rekrutierung zu entziehen, um gar nicht erst einberufen zu werden. Sie gelten als Militärdienstentzieher, bislang ohne Schutz bei einer Flucht ins Ausland.

Connection e.V., ein in Deutschland ansässiger Verein, unterstützt Deserteure und Kriegsdienstverweigerer auf allen Seiten eines Krieges. Für uns steht das Menschenrecht, sich einem Kriegsdienst zu verweigern, höher als die Staatsräson. Und so erschreckt uns sehr zu sehen, dass die ukrainische Regierung erklärte, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung seit Kriegsbeginn in der Ukraine ausgesetzt sei. Es gibt bereits erste Verurteilungen zu mehreren Jahren Haft auf Bewährung.

Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen halten wir hier eine Antwort der Europäischen Union für überfällig. Deserteure und Verweigerer aus Russland und aus Belarus brauchen Schutz und Asyl! Die ukrainische Regierung muss aufgefordert werden, ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung umzusetzen und so den internationalen Anforderungen auf das Menschenrecht zu entsprechen! Und Deserteure und Verweigerer brauchen die Möglichkeit, aus Drittländern in die Europäische Union einzureisen, um hier Schutz zu erhalten.

Text: Rudi Friedrich, Geschäftsführer von Connection e.V., einem in Offenbach/Main ansässigen Verein, der sich seit 30 Jahren für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus Kriegsgebieten einsetzt. Mehr Infos unter www.Connection-eV.org/ObjectWarCampaign