Menschenrechte bei Lieferketten einhalten

Am 1. Juni beschloss das Europäische Parlament (EP)  das wichtige Lieferkettengesetz. Es soll dafür sorgen, dass große Unternehmen, die in der EU ansässig oder tätig sind, Menschenrechts- und Umweltverstöße in ihrer Wertschöpfungskette erkennen und verhindern. Firmen, die in der EU wirtschaftlich aktiv sind, müssen entlang der gesamten weltweiten Wertschöpfungskette dafür sorgen, dass Menschenrechte und Regeln zum Klimaschutz gelten. 

Betroffen sind nach dem Parlamentsbeschluss Unternehmen mit 500 und später mit 250 Beschäftigten. Auch Unternehmen außerhalb der EU mit mehr als 150 Millionen Euro Umsatz, von denen 40 Millionen Euro in der EU erwirtschaftet werden, unterliegen der Richtlinie. Eine weitere Neuerung gegenüber dem deutschen Lieferkettengesetz ist, dass die EU-Richtlinie neben Zulieferern die gesamte Kette betrifft, also auch Verkauf, Vertrieb und Logistik.

Nur jedes dritte Unternehmen prüft, ob bei den eigenen Lieferketten Menschenrechte und der Umweltschutz eingehalten werden. Immer noch schaffen es viele Produkte in europäische Supermärkte, die durch Sklavenarbeit produziert worden sind oder die mit Landvertreibungen oder Umweltverschmutzung einhergehen. Das EP will dafür sorgen, dass europäische Unternehmen, wie nach der Rana Plaza-Katastrophe vor zehn Jahren, bei der mehr als 1000 Menschen in einer Textilfabrik in Bangladesch starben, zur Verantwortung gezogen werden. Darüber hinaus soll beispielsweise keine Schokolade mehr in die Supermärkte kommen, die durch Kinderarbeit erzeugt oder Weihnachtsbaumschmuck über die Ladentheke gehen, der durch Zwangsarbeit hergestellt wurde. Die Berichte über Niedriglöhne, mangelnden Arbeitsschutz, 152 Millionen Kinder, die weltweit Kinderarbeit leisten, 25 Millionen Menschen, die in neuartige Formen von Sklavenarbeit gezwungen werden, zeigen auf wie wichtig es ist, hier endlich gesetzliche Regelungen zu schaffen. Wenn Rechte verletzt werden, müssen Arbeitnehmer*innen überall in der Welt vor Gerichten klagen können, um ihre Interessen durchzusetzen. Das Lieferkettengesetz kann so ein zentraler Baustein für eine menschenrechtsfundierte Art des Wirtschaftens in der EU werden.

Rechtsextreme und nationalkonservative Parteien sowie die CDU/CSU wollten wichtige Aspekte des EU-Lieferkettengesetzes besonders beim Klimaschutz und der Einbeziehung des Finanzsektors verwässern. Der Finanzsektor spielt eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung von Sorgfaltspflichten. Er finanziert viele Unternehmen in ihren globalen Wirtschaftstätigkeiten durch Kredite. Ihn nicht einzubinden, wäre grundfalsch. 

Nach dem Parlamentsbeschluss wird das Gesetz nun zwischen EP, Kommission und Rat (Trilog) verhandelt. Die Gespräche kommen nur schleppend voran. Das EP verfolgt dabei einen klareren Ansatz zum Schutz von Menschenrechten und Klima, aber die EU-Staaten sind gespalten. Das EP muss deshalb Druck auf den Rat ausüben, damit dieser nicht damit durchkommt, das Lieferkettengesetz zu verwässern. Die europäische Sozialdemokratie wird für ein nachhaltiges Lieferkettengesetz kämpfen.

Text: Prof. Dr. Dietmar Köster