Ein Kommentar zu feministischer Außenpolitik

Month: Juni 2022

Ein Gastbeitrag von Lisa Storck

„Frieden in all seinen Aspekten ist jetzt eindeutig ein Frauenthema. Wenn es weniger Patriarchat gäbe, gäbe es wahrscheinlich weniger Gewalt“ behauptet die amerikanische Aktivistin Mary Farenthold 1915 auf dem ersten internationalen Frauenfriedenskongress in Den Haag. Während der Erste Weltkrieg in Europa wütet, finden sich auf dem Kongress mehr als tausend Frauen aus zwölf Nationen zusammen, um Forderungen aufzustellen.

Einige davon haben sich erfüllt, etwa die Einrichtung des Internationalen Gerichtshofes oder die Einstufung von Vergewaltigungen als Kriegswaffe. Bei der fundamentalsten Forderung nach Gleichstellung besteht leider nach wie vor Nachholbedarf.

Knapp hundert Jahre später formuliert deswegen die schwedische Außenministerin Margot Wallström 2014 Grundsätze einer feministischen Außenpolitik. Sie umfassen die drei Rs: Rechte, Repräsentation und Ressourcen. Hinsichtlich dieser drei Punkte spielen Frauen weltweit eine untergeordnete Rolle. Feministische Außenpolitik fordert gleiche Rechte für Mädchen und Frauen ein. Das geht nur, wenn sie bei politischen Entscheidungen in repräsentativen Ämtern sind. Zudem muss bei der Verteilung von Ressourcen sichergestellt werden, dass die Lebensrealität von Mädchen und Frauen verbessert wird.

Übertragen auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fängt eine feministische Politik beispielsweise damit an, dass bei Hilfsgütern nicht nur Essen, sondern auch Güter für schwangere Frauen geliefert werden und hört damit auf, dass, sollte es so weit sein, Frauen an Friedensverhandlungen beteiligt werden. Längst ist der Zusammenhang zwischen der Beteiligung von Frauen an Verhandlungen und der Dauer von Friedensvereinbarungen nachgewiesen.

Die Ausgestaltung der feministischen Außenpolitik ist nicht in Stein gemeißelt, sondern wandelt sich ständig. Die drei Rs werden inzwischen um ein „D“ für Diversität ergänzt. Durch globale männliche Machtstrukturen geht nicht nur die Lebensrealität von Mädchen und Frauen unter, sondern werden auch diejenigen nicht mitgedacht, die auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit, ethnischen Herkunft oder sexuellen Ausrichtung strukturell diskriminiert werden.

Der Krieg in der Ukraine, die Pandemie und die wirtschaftliche Rezension sind ein herber Rückschlag für Feminist*innen, denn diese Faktoren verschärfen global die Lager derer, die ohnehin strukturell marginalisiert werden.

Eine laute feministische Außenpolitik ist deshalb bitter notwendig, um der vergessenen Hälfte der Gesellschaft eine Stimme zu geben. Das ist kein „Gedöns“, sondern schlicht demokratisch.


Ahmad Reza Jalali – seit 20 Monaten von unmittelbarer Hinrichtung bedroht

Month: Juni 2022

Ein Gastbeitrag von Laura Pohl

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) wurde 1972 in Frankfurt am Main gegründet. Sie unterstützt Andersdenkende und friedliche Bürgerrechtler*innen in autoritären Staaten und betreibt humanitäre Hilfe, bspw. in der Ukraine oder im Nordirak. Dietmar Köster setzt sich im Rahmen des Patenschaftsprogramms der IGFM für politische Gefangene für die Freilassung von Ahmad Reza Jalali ein.

Ahmad Reza Jalali wurde aufgrund angeblicher Spionage für den israelischen Geheimdienst während seines Besuchs im Iran im April 2016 verhaftet. Unter dem Vorwurf von „Verderben stiften auf Erden“ wurde Jalali im Oktober 2017 schließlich zu Tode verurteilt. Ein unter Folter entstandenes Geständnis wurde Ende 2017 im Staatsfernsehen ausgestrahlt.

In Haft wurde dem Akademiker dringende medizinische Behandlung verweigert, auch, als Anfang 2019 ein Verdacht auf Krebs bekannt wurde. Als die Islamische Republik im Zuge der Corona-Pandemie Tausende Häftlinge in den Haft»urlaub» schickte, wurden politische Gefangene – darunter auch Ahmad Reza Jalali – von dieser Regelung weitestgehend ausgeschlossen. Darüber hinaus wurde Jalali über Monate in Isolationshaft gehalten.

Am 25. November 2020 wurde der schwedisch-iranische Staatsbürger in Einzelhaft verlegt und ihm mitgeteilt, dass seine Hinrichtung bald vollstreckt werde. Nach dem großen internationalen Protest gegen seine bevorstehende Hinrichtung wurde das Urteil nicht vollstreckt. Nach sechs Monaten in Isolationshaft wurde Jalali erst am 14. April 2021 wieder in eine Zelle mit anderen Gefangenen verlegt.

Knapp ein Jahr später, am 4. Mai 2022 wurde erneut gedroht: Jalali solle spätestens am 21. Mai hingerichtet werden. Die Nachricht folgte kurz nachdem die schwedische Staatsanwaltschaft lebenslange Haft für den in Schweden angeklagten Iraner Hamid Noury forderte, der 1988 für Tausende Hinrichtungen politischer Gefangener im Iran verantwortlich gewesen sein soll. Die Androhung der Vollstreckung wird als politischer Racheakt der iranischen Behörden gewertet. Auch dieses Mal wurde das Urteil nicht vollzogen. In Sicherheit ist Jalali damit aber nicht. Sein Leben hängt nach wie vor in der Schwebe.


Keine Geflüchteten zweiter Klasse - ein Gastbeitrag von Paula Schmedding

Month: Juni 2022

Ein Gastbeitrag von Paula Schmedding

Seit dem 24. Februar 2022 führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Viele Ukrainer*innen verlassen ihre Heimat, um sich vor der Gewalt in Sicherheit zu bringen. Die Solidarität, die ihnen auf diesem Weg begegnet, ist enorm. Nationalstaaten und Europäische Union arbeiten daran, die Hürden für Ukrainer*innen abzubauen und ihnen den Start bei uns so einfach wie möglich zu gestalten.

Ihnen wird EU-weit ein Schutzstatus gewährt, sodass sie zunächst kein Asylverfahren durchlaufen müssen. So können sie zum Beispiel einer Arbeit nachgehen und ihre Kinder ohne Hürden in Schule und Kindergarten anmelden. In Deutschland haben ukrainische Geflüchtete zudem seit Juni 2022 ein Anrecht auf Sozialleistungen wie Hartz IV.

Kurzum: wir tun alles, damit Ukrainer*innen unbürokratisch und unkompliziert ein neues Leben beginnen können. Großartig! Genauso muss eine Gesellschaft mit Schutzbedürftigen umgehen.

Aber der Schein, dass diese Solidarität allen Schutzbedürftigen gilt, trügt. Denn während wir ukrainische Geflüchtete mit offenen Armen empfangen, schließen wir andere aus. Die außerordentliche Gesetzgebung gilt eben nur Menschen aus der Ukraine, nicht Geflüchteten aus Syrien, Guinea oder dem Iran. Und weiterhin ertrinken Menschen im Mittelmeer, werden weiterhin im Wald an der polnisch-belarussischen Grenze festgehalten und immer wieder gewaltsam zurückgepusht oder leben unter miserablen Bedingungen in EU-finanzierten Flüchtlingslagern wie auf Samos.

Die Unterstützungen, die ukrainische Geflüchtete erhalten, sind gut und richtig. Die Andersbehandlung von ukrainischen Geflüchteten, weil sie uns angeblich kulturell näher sind, ist jedoch klarer Ausdruck von Rassismus. Das Recht auf Flucht und Asyl ist universell; es darf keine Differenzierung zwischen Geflüchteten geben. Krieg und Gewalt gibt es auch abseits der Ukraine. Diese Menschen müssen wir genauso willkommen heißen. Eine menschenwürdige Migrationspolitik ist möglich. Nun müssen alle von ihr profitieren.


Wo bleibt die Diplomatie?

Month: Juni 2022

Russland lässt nicht von seinem verbrecherischen Krieg gegen die Ukraine ab. Jeden Tag sterben Menschen, sie werden verletzt, sind traumatisiert oder müssen fliehen. Die Not und das Elend dieses durch nichts zu rechtfertigenden Kriegs sind kaum zu ertragen.

Dieses schreckliche Leid, das jeden Tag in allen Medien verfolgt werden kann, erzeugt eine Stimmung, in der die Forderung, man müsse der Ukraine schwere Waffen wie Panzer, Kampfflugzeuge und anderes liefern, wachsenden Zuspruch erfährt. Ohne Zweifel muss die Ukraine unterstützt werden, um ihren Verteidigungskrieg führen zu können. Aber es gibt Grenzen.

Zunehmend wird mehr oder weniger deutlich gefordert, Russland militärisch zur Kapitulation zu zwingen und einen Regimewechsel herbeizuführen. So sehr dies zu wünschen wäre, so sehr sind damit unkalkulierbare Risiken bis zu einem neuen atomaren Weltkrieg verbunden. Wer glaubt ernsthaft, dass der neue, sich selbst zum Imperator aufgeschwungene, Putin mit seinen Atomwaffen eine militärische Kapitulation akzeptieren würde, ohne offen die Zerstörung der Welt auch um den Preis der Selbstzerstörung Russlands hinzunehmen? Ganz unabhängig davon, dass die russische Armee trotz ihrer Schwächen und Rückschläge noch immer über erhebliches militärisches Material und Menschen verfügt, was ihnen eine militärische Überlegenheit sichert.

Die Vorstellung, diesen Krieg ausschließlich auf dem Schlachtfeld entscheiden zu wollen, ist brandgefährlich. Die Gefahren eines Nuklearkriegs sind real. Der Friedensforscher Carl Friedrich von Weizsäcker schrieb: „Die großen Bomben erfüllen ihren Zweck, den Frieden und die Freiheit zu schützen, nur, wenn sie nie fallen. Sie erfüllen diesen Zweck auch nicht, wenn jedermann weiß, dass sie nie fallen werden. Eben deshalb besteht die Gefahr, dass sie eines Tages wirklich fallen werden.“ Und je länger dieser Krieg dauert, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es so weit kommt. Daher ist es falsch, augenblicklich nur auf einen militaristischen Kurs zu setzen, auch wenn es nötig ist, die Ukraine mit Waffen so zu unterstützen, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt. Aber dieser Krieg wird letztlich durch Verhandlungen zu beenden sein. Daher muss die Diplomatie wieder ein größeres Gewicht erhalten.

Eine gute diplomatische Initiative hat der italienische Außenminister Di Maio in einem Vierstufenplan angestoßen:

  1. Es ist ein sofortiger Waffenstillstand anzustreben. Russland muss seine Truppen zurückziehen.
  2. Es sind Verhandlungen über den Neutralitätsstatus der Ukraine zu führen.
  3. In einem bilateralen Abkommen zwischen Russland und der Ukraine sind Territorialfragen über die Krim und den Donbass zu klären.
  4. Es ist ein multilaterales Abkommen über die künftige Friedensordnung in Europa abzuschließen.

Leider ist diese Initiative bislang ohne große Resonanz geblieben, sowohl bei den europäischen Regierungen, als auch in den Leitmedien. Sie befürworten lieber schwere Waffenlieferungen und kritisieren all jene, die für eine risikoabwägende Haltung stehen und verhindern wollen, dass die NATO zur Kriegspartei wird.

Auch die Grünen haben sich mittlerweile zu einer Partei der naiven Bellizisten gewandelt, wenn sie sich gemeinsam vor allem mit den Konservativen und im Europäischen Parlament, oft gemeinsam mit den Rechtspopuplisten der polnischen PIS-Partei, für schwere Waffenlieferungen engagieren. Sie haben sich von einstigen friedensbewegten Positionen verabschiedet.

Da ist die öffentliche Debatte in den USA schon weiter. So hat der Herausgeberkreis der New York Times verlangt, dass Präsident Biden „Präsident Selenskyj klarmacht, dass es eine Grenze gibt, wie weit die Vereinigten Staaten und die NATO gehen werden, um Russland zu konfrontieren, und Grenzen für die Waffen, das Geld und die politische Unterstützung, die sie aufbringen können.“ Die Vereinigten Staaten dürfen nicht in einen lang andauernden, „umfassenden Krieg mit Russland“ gezogen werden, fordert das Editorial Board der New York Times. Das Risiko einer unkontrollierbaren Eskalation sei hoch.

Es wäre gut, eine öffentliche Debatte darüber zu führen, wie auf dem schnellsten Weg dieser Krieg gestoppt und in Europa Frieden geschaffen werden kann, um das Sterben in der Ukraine zu beenden und dem Frieden eine Chance in Europa zu geben. Dazu bedarf es mehr Diplomatie!


Press Statement: Report on Bosnia-Herzegovina

Month: Juni 2022

Today the Committee on Foreign Affairs approved the report on Bosnia-Herzegovina by a large majority with 44 votes in favour, 8 votes against and 5 abstentions.

Bosnia and Herzegovina has been in its deepest political crisis since the end of the Yugoslav war. The Serbian-Bosnian entity Republika Srpska (RS) led by Milorad Dodik is boycotting the state institutions of Bosnia and Herzegovina in a bid to divide the country. Even plans for their own army and their own tax system are presented again and again. The ongoing political crisis has prompted the EU to freeze the disbursement of funds to the Republic of Srpska.

Bosnia-Herzegovina must have prospects for EU membership, otherwise there is a risk that Russia will pursue its policy of destabilizing the EU, because Moscow maintains close ties not only with the Serbian Republic of Srpska, but also with Serbia. Bosnia-Herzegovina can only achieve EU candidate status if it makes progress in the fight against corruption, ethnic nationalism, independence of the judiciary, among other things.

As shadow rapporteur, it was important to me to push through the following points with my team:

The October 2nd elections must take place. They must be free and fair. What is needed is a reform of the constitution and the electoral law that grants all citizens the same rights regardless of their nationality, even if this is not a prerequisite for the election. It must therefore be possible to be elected to the office of the three-man presidency of Bosnia-Herzegovina without associating oneself with the group of Serbs, Croats or Bosniaks. The corresponding judgment of the European Court of Human Rights must finally be implemented.

Bosnia-Herzegovina must finally initiate reforms for the social rights of workers, the fight against poverty and the expansion of the welfare state.

Rights of minorities such as the Roma and the LGBTI community must be protected. Measures for gender equality and combating violence against women must also be implemented. Civil society and democratic forces must also be strengthened.

We were successful in enshrining the call for more investment in education.

Finally, the humanitarian crisis on the borders of Bosnia-Herzegovina was made clear. Refugees and migrants must be given decent housing. They must be treated under international law. The illegal push backs of people fleeing, which take place at the borders, are mentioned.

Surely more would have been desirable. But in view of the majorities, the report is a success. The report shows a way out of Bosnia-Herzegovina’s deep political crisis. This is not only in the interests of the Bosnian people, but also of a stable and peaceful EU.

The report is expected to be finalized in July in the plenary week of Parliament in Strasbourg.


Hassan Mushaima und Dr. Abduljalil Al-Singace müssen sofort freigelassen werden

Month: Juni 2022

Hassan Mushaima und Dr. Abduljalil Al-Singace befinden sich nach den friedlichen Aufständen 2011 in Bahrain noch immer in politischer Gefangenschaft.
In einem Brief an die Sprecherin des Repräsentantenrates Bahrains fordere ich nun erneut ihre sofortige Freilassung.
Hassan Mushaima, Oppositionsführer in Bahrain, wurde in den mehr als 11 Jahren Haft mehrfach gefoltert und leidet u. a. an einem Nierenschaden und Herzmuskelproblem. Zugang zu medizinischer Behandlung wird ihm verweigert. Sein Gesundheitszustand ist mehr als besorgniserregend und verschlechtert sich zunehmend.
Der Menschenrechtsaktivist Dr. Abduljalil Al-Singace wird psychisch und physisch misshandelt. Wegen seiner körperlichen Behinderung wurde er während der Haft immer wieder gedemütigt und schwer sexuell missbraucht. Er befindet sich seit elf Monaten im Hungerstreik, da ihm der Kontakt zu seiner Familie und eine ärztliche Behandlung untersagt werden.
Die Haftbedingungen der beiden Menschenrechtsaktivisten spiegeln die Lage von zahlreichen Gefangenen in Bahrain wider, die allein wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte und ihre öffentliche Kritik an der Regierung Bahrains unter menschenunwürdigen Bedingungen eingesperrt werden.