Digitale Initiativen zum Holocaustgedenktag

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Gastbeitrag von Lisa Storck

Jährlich am 27. Januar gedenken wir den Opfern und Überlebenden des Holocausts – zunehmend auch im digitalen Raum. Hier gibt es zahlreiche Initiativen, die alle durch das Ziel verbunden sind, die Erinnerung wachzuhalten. 

Auf dem Berg des Gedenkens in Israel erstreckt sich über 18 Hektar die Gedenkstätte Yad Vashem. Schon längst reicht ihre Arbeit über das Gelände hinaus. Dazu gehört die digitale I-Remember-Wall, welche Opfern des Nationalsozialismus ein Gesicht und eine Geschichte gibt. Dietmar nahm an der Aktion teil und gedachte Anna Neumann. Sie wurde 1925 in Österreich geboren, lebte während der NS-Zeit in Wien und wurde in der Shoah ermordet.

Jeder Name zählt. Deshalb bauen die Arolsen Archives eine Online-Datenbank auf. Wir alle können helfen, sie zu vervollständigen und Häftlingskarten von KZ-Insassen digitalisieren. Ein Beispiel ist diese KZ-Häftlingskarte. Das umgekehrte Dreieck rechts weist darauf hin, dass es sich um einen von den Nazis als „homosexuell“ kategorisierte Person handelt – ein Akt der Entmenschlichung und Unsichtbarmachung des Individuums, worauf weiterer Terror und Vernichtung folgten. Dietmar und sein Team sind dem Aufruf der Archives gefolgt und digitalisierten in der Woche vor dem Gedenktag solche Häftlingskarten.

„Homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus wurden nicht nur totgeschlagen; sie wurden auch totgeschwiegen.“ Die Arbeitsgemeinschaft der NRW SPD für Akzeptanz und Gleichstellung machte am internationalen Gedenktag auf ihren Online-Plattformen auf queere Opfer aufmerksam.  

Nach 1945 waren sie nicht berechtigt, Wiedergutmachung zu beantragen, und der Paragraf 175 blieb weiterhin in Kraft. 2023 hat der Bundestag zum ersten Mal das Gedenken an die Verfolgung sexueller Minderheiten durch das NS-Regime betont. Die NRW SPD Queer betont auf Social Media zurecht: „Demütigungen, Anfeindungen, Verleumdungen und Ausgrenzungen ebnen jener Menschenverachtung und Gewalt den Weg, die in Auschwitz gipfelte. Deshalb: Kein Schlussstrich! Wir dürfen und werden die Opfer des Nationalsozialismus – auch die queeren – niemals vergessen!“


Revolution im Iran: Besorgniserregende Entwicklungen

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Gastbeitrag von Dr. Sonja Grabowsky

Seit dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 protestieren die Menschen im Iran. Unter dem Slogan „Frau Leben Freiheit“ fordern sie einen demokratischen und pluralistischen Staat. Doch mittlerweile erhebt ein anderer Oppositioneller seine Stimme: Reza Pahlavi, Sohn des ehemaligen Diktators und Schahs. Er will die Restaurierung der Monarchie und erhebt Anspruch auf die Macht. 

Besorgniserregend ist seine massive Lobbyarbeit auf internationaler Ebene. Auch wurde er Anfang März als „Oppositionsvertreter“ des iranischen Regimes  von einem rechtsnationalen Abgeordneten in das Europäische Parlament eingeladen. Offenbar halten einige ihn für eine legitime bzw. legitimierte Verhandlungsperson. Er ist jedoch mitnichten eine Stimme derer, die täglich auf den Straßen Irans ihr Leben und ihre Freiheit aufs Spiel setzen. Bislang hat der in den USA Ansässige keine Rolle bei den Protesten gespielt. Seine Ansichten sind nationalistisch und reaktionär, von den Taten seines Vaters hat er sich nie distanziert. Gefährlich ist, dass er sowohl die Bewegung im Iran, als auch in der Diaspora spaltet. Verhandelt man mit ihm, fällt man nicht nur den Protestierenden in den Rücken, sondern wäre dies auch ein Affront gegenüber den vom Geheimdienst des Schahs SAVAK Gefolterten und Ermordeten. 

Die Iraner*innen haben 1979 den Sturz des Schahs erkämpft. Nach Jahrzehnten des Mullah-Regimes fordern sie nun den Zusammenbruch des Regimes und eine radikale Umwälzung. Das Zurückfallen unter das Joch der Monarchie gehört nicht zu ihren Vorstellungen einer neuen Gesellschaft. Die westlichen Staaten sollten deswegen Pahlavi tunlichst nicht hofieren und alles dafür tun, die feministische Revolution zu unterstützen. Rund 500 Menschen sind seit Beginn der Proteste getötet worden, 20.000 wurden inhaftiert und 109 Personen droht die Todesstrafe. Umso unverständlicher ist es, dass 2022 der Asylantrag mehr als jeder zweiten Person aus dem Iran in Deutschland abgelehnt wurde, auch nach Beginn der Proteste. Ein Bleiberecht für Iraner*innen muss endlich gewährleistet werden!


Ein Jahr russischer Krieg gegen die Ukraine

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Seit einem Jahr erleben wir einen schrecklichen Angriffskrieg Russlands, der völkerrechtswidrig und durch nichts zu rechtfertigen ist. Es sind Zehntausende von Opfern, Millionen von Flüchtlingen und schreckliche Zerstörungen zu beklagen. Mit der Bombardierung der zivilen Infrastruktur begeht die russische Führung Kriegsverbrechen. Russland muss den Krieg beenden und seine Soldaten zurückziehen. Wir stehen an der Seite der Menschen der Ukraine. Die EU unterstützt die Ukraine finanziell, humanitär, ökonomisch und auch militärisch. 

Der Verlauf des Kriegs zeigt, dass wir uns in einer militärischen Eskalationsspirale befinden. Die Mehrheit der Bundesbürger*innen sind sehr besorgt, dass sich dieser Krieg ausweitet und es zu einem Weltkrieg kommt. Aus der Perspektive eines Sieges um jeden Preis haben die Waffenlieferungen mittlerweile eine Eigendynamik entwickelt, die uns über die Schwelle zu einem dritten Weltkrieg führen kann. Das muss verhindert werden. Daher dürfen keine international geächteten Waffen wie Streumunition und Phosphorbomben geliefert werden. Die Lieferung von Kampfflugzeugen und weitreichenden Raketen sind abzulehnen. Auf solche Waffenlieferungen würde Russland mit einer weiteren immer weniger zu kontrollierenden Eskalation reagieren. Der Preis für die Unterstützung der Ukraine darf nicht die Zerstörung der Ukraine sein. 

Einige meinen, die Entscheidung in diesem Krieg müsse auf dem Schlachtfeld gesucht werden. Hiervor warnen der höchste US-amerikanische Militärchef, Mark Milley, oder auch der jahrelange sicherheitspolitische Berater von Kanzlerin Merkel, Erich Vad: Ein militärischer Sieg der Ukraine ist nicht zu erwarten, und Verhandlungen sind der einzig mögliche Weg. Es drohe ein schrecklicher Abnutzungskrieg, bei dem es zu einer sinnlosen Verschwendung von Menschenleben kommt. Es gehe darum, nicht nur einseitig auf Waffen zu setzen, sondern politische Lösungen zu finden.

Daher brauchen wir jetzt endlich mehr Mut zur Diplomatie. Sie wird den Weg zum Frieden öffnen. Und es gibt Beispiele: Das Getreideabkommen, die Gefangenenaustausche und die Verhandlungen der Internationalen Atomenergiebehörde der UN über eine demilitarisierte Zone um das Atomkraftwerk Saporischia. 

Der brasilianische Präsident Lula hat vor kurzem neue diplomatische Initiativen gefordert. Brasilien und China könnten hier eine wichtige Rolle spielen. China hat einen 12-Punkteplan vorgeschlagen. Es ist zu begrüßen, dass China deutlich macht, dass im Krieg keine Atomwaffen eingesetzt werden dürfen. Das ist ein deutliches Zeichen an Putin, der immer wieder in der Öffentlichkeit damit droht. Auch Selensky zeigte sich in einer ersten Reaktion offen für den Vorschlag Chinas. 

Wir brauchen dringend einen Waffenstillstand!

Und die EU als Friedensnobelpreisträgerin muss endlich selbst diplomatische Initiativen entwickeln. Der Krieg löst keine Probleme. Der Krieg ist das Problem. Geben wir dem Frieden eine Chance!

Text: Prof. Dr. Dietmar Köster


Gastbeitrag: „Heute schmerzt und weint mein Herz für mein geliebtes Land Afghanistan“

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Schadab Noorzad ist Aktivistin für Frauenrechte, Friedensanwältin und Bildungsaktivistin in Afghanistan. 2022 wurde sie in den Vereinigten Arabischen Emiraten als inspirierendste afghanische Führungspersönlichkeit ausgezeichnet. Sie hat sich bereit erklärt, uns ihre Eindrücke seit der Machtübernahme der Taliban zu schildern.

„Manchmal, wenn du an einem dunklen Ort bist, denkst du, du bist begraben, aber in Wirklichkeit bist du gepflanzt worden.“ Christine Caine 

Heute schmerzt und weint mein Herz für mein geliebtes Land Afghanistan. Nach der Entwicklung vom 15. August 2021 wurden die Menschen Zeug*innen der Rückeroberung der Macht durch die Taliban, eine Gruppe von Ex-tremisten, die jeder afghanischen Frau einen Schauer über den Rücken jagt. Die internationale Gemeinschaft mit der Unterstützung der EU, einschließlich der USA und Verbündeten mit den Streitkräften der Islamischen Republik Afghanistan, hat dem afghanischen Volk zwei Jahrzehnte lang zur Seite gestanden, um die Souveränität des Landes gegen die Taliban und andere Terrornetzwerke zu verteidigen. Die Taliban brachten mit ihrem Radikalismus Unsicherheit in das Land, die Region und die ganze Welt. Leider ist meine Heimat aufgrund ihrer Regierung und der Flucht des ehemaligen Präsidenten Ghani zusammengebrochen.  

Letztes Jahr, gestern und heute wurden und werden Afghan*innen isoliert und von der internationalen Gemeinschaft aufgrund der extremen Ansichten der Taliban ausgeschlossen. Die Taliban bestimmen über das Leben von 40 Millionen Afghan*innen, über das das Recht auf Leben, das Recht auf Freiheit, das Recht auf Bildung und alle Rechte. Vor allem die afghanischen Frauen und Mädchen haben in den letzten vier Jahrzehnten, in denen das Land von Kriegen heimgesucht wurde, eine Ära der Dunkelheit und des Aufruhrs erlebt. Sie haben ihr Engagement, ihre Hingabe und ihre Loyalität gegenüber der EU und ihren Verbündeten durch ihre Opfer bewiesen und sich mit ihren aufrichtigen und reinen Herzen und ihrem Leben für den edlen Weg der Demokratie entschieden. 

Seit der Wiedererlangung der Macht durch die Taliban sind Frauen und Mädchen noch stärker betroffen. Um es deutlich zu machen: Am 20. Dezember 2022 verbot die so genannte De-facto-Regierung allen Mädchen, ihre höhere Bildung fortzusetzen, was in der Tat ein Grundrecht eines jeden Menschen ist. Eine Woche später erließ der „Oberste Führer“ Mullah Haibtullah Akhondzada ein Dekret, das Frauen die Arbeit in Nichtregierungsorganisationen verbietet. Die Medien und der Rundfunk sind für Frauen beschränkt geworden und sie müssen ihr Gesicht verhüllen. Das alleinige Reisen wurde für Frauen und Mädchen verboten. Dies ist in der Tat die verzweifeltste und schwierigste Situation für Frauen und Mädchen in Afghanistan, mich eingeschlossen. Wir haben nicht das Recht zu studieren und wir haben nicht das Recht zu existieren.

Text:  Schadab Noorzad, Aktivistin in Afghanistan


Girlsday 2023 - jetzt bewerben!

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Lust auf EU-Politik? Wir – die sozialdemokratischen Europaabgeordneten aus NRW – beteiligen uns wieder am GirlsDay! Insgesamt 24 jungen Frauen aus Nordrhein-Westfalen bieten wir auf einer dreitägigen Fahrt vom 26. bis 28. April 2023 nach Brüssel die Möglichkeit, die Arbeit von Europaabgeordneten im Europäischen Parlament in Brüssel hautnah mitzuerleben.
Ihr seid zwischen 16 und 18 Jahre alt und neugierig auf Brüssel und Europa? Habt ihr Fragen oder Anregungen zu eurer Zukunft in NRW und Europa? Wollt ihr wissen, was Europaabgeordnete eigentlich tun? Oder wie es um die Rechte und Chancen von Frauen und Mädchen in Europa steht?

Dann seid ihr hier genau richtig: Wir vier SPD-Europaabgeordnete aus NRW – Birgit Sippel, Dietmar Köster, Jens Geier und Petra Kammerevert – suchen politisch interessierte junge Frauen aus NRW, um euch einen Einblick hinter die europäischen Kulissen zu geben. Denn auch wenn immer mehr Frauen aktiv Politik mitgestalten, sind doch noch vorwiegend Männer in den Parlamenten von Städten, Ländern, Bund oder Europa vertreten.

Wir laden euch für drei Tage, 26. – 28. April 2023 nach Brüssel ein, wo euch ein vielfältiges Programm erwartet, bei dem der direkte Austausch mit uns möglich sein wird. Das Programm wird einschließlich An- und Abreise (von und bis Köln-Hauptbahnhof) organisatorisch durch das Heinz-Kühn-Bildungswerk aus Dortmund begleitet. Die Anreise bis und bei der Rückfahrt ab Köln-Hauptbahnhof erfolgt individuell.

Wir haben dein Interesse geweckt? Dann mach mit!
Schick einfach eine kurze Bewerbung (max. eine DIN-A4-Seite) an das Europabüro, entweder per E-Mail an: info@dietmar-koester.eu
oder per Post an: Europabüro Dietmar Köster, MdEP Königstraße 69a 58300 Wetter (Ruhr)

Die Ansprechpartnerin ist Ulla Große-Ruyken. Beschreib woher du kommst, was dich interessiert und warum du am Girls’ Day 2023 in Brüssel teilnehmen willst. Egal, auf welche Schule du gehst oder ob du in einem Jugendverband tätig bist – ich freue mich auf deine Teilnahme. Einsendeschluss ist Freitag, der 10. März 2023. Aus meiner Betreuungsregion (s. o.) haben sechs interessierte junge Frauen die Möglichkeit, einen Einblick in die Arbeit im Europäischen Parlament zu erhalten.

Und klar ist, dass wir dich einladen! Das heißt, wir übernehmen die Kosten für Reise, Unterkunft und Verpflegung.
Ich freue mich auf deine Bewerbung!


Stimmerklärung zur Abstimmung über die Gemeinsame Resolution zur Einstufung der Russischen Föderation als dem Terrorismus Vorschub leistender Staat

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Ich verurteile den Russischen Angriffskrieg weiterhin aufs Schärfste. Russland begeht in der Ukraine Kriegsverbrechen, die in einem internationalen Rechtrahmen geächtet sind. Der Begriff „Terrorismus“ ist dagegen in der EU juristisch unbestimmt und verharmlost somit diese Kriegsverbrechen. Die Gräueltaten der russischen Regierung müssen klar definiert werden können. Die Bezeichnung Russlands als terrorunterstützender Staat wird dem nicht gerecht.

Die Einstufung als terrorunterstützender Staat verfolgt das Ziel, Diplomatie und Verhandlungen zur Beendigung des Krieges auszuschließen. Stattdessen soll eine Entscheidung auf dem Schlachtfeld gesucht werden. Das erhöht die Gefahr, dass die NATO in den Krieg hineingezogen wird.

Das Europäische Parlament als eine der Institutionen der Friedensnobelpreisträgerin EU sollte nach einem diplomatischen Ausweg aus dem Krieg suchen und die drohende Gefahr eines Atomkrieges abwenden.

In den USA wird zunehmend darüber diskutiert, die Chancen von Verhandlungen auszuloten. Das Europäische Parlament fällt mit dieser Resolution weit hinter die US-amerikanische Debatte zurück. Sowohl das Europäische Parlament, als auch die EU sollten weiter ihre Solidarität mit der Ukraine zeigen und an einer diplomatischen Strategie arbeiten, die das Ziel verfolgt, diesen schrecklichen Krieg in Europa schnellstmöglich zu beenden.

Aus diesen Gründen habe ich gegen diese Resolution gestimmt.


Die Demokratische Jugendbewegung Vesna

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Ein Gastbeitrag von Milana Shesterikova

Im Rahmen der von Dietmar gegründeten interfraktionellen Migrationsgruppe im Europäischen Parlament war im vergangenen Oktober Milana Shesterikova von der oppositionellen russischen Vesna-Bewegung zu Gast. Die Aktivistin hat sich bereit erklärt, mit einem Gastbeitrag Einblicke in ihre Arbeit zu geben.

Vesna ist eine demokratische Jugendbewegung, die mehr als hundert junge Liberale, Demokrat*innen und Menschenrechtsaktivist*innen verbindet. Sie wurde 2013 in St. Petersburg gegründet. Seitdem sind Regionalabteilungen in Moskau, Nowosibirsk, Tscheljabinsk und vielen weiteren Städten tätig. Aktivist*innen, die im Ausland leben, sind innerhalb der Diaspora mit Vesna verbunden. Unsere Bewegung kämpft für ein demokratisches Russland, in dem Menschenrechte und Freiheiten die grundlegenden gesellschaftlichen Werte sind.

Die Vesna-Aktivist*innen waren die ersten politischen Treiber*innen einer Antikriegskampagne unmittelbar nach Beginn der Invasion Russlands am 24. Februar 2022. Seitdem haben wir zahlreiche Dinge auf den Weg gebracht:

  • Massenproteste gegen den Krieg koordiniert;
  • Medienarbeit gestartet und eine Agitationskampagne in den sozialen Netzwerken der Bewegung durchgeführt;
  • Antikriegspetitionen erstellt, offene Appelle und Briefe an die Behörden, die Polizei, das Militär, die Patriarchen etc. veröffentlicht;
  • Antikriegspropaganda gemacht und Aufkleber, Flugblätter und Plakate gegen den Krieg verteilt;
  • An der Schaffung einer Antikriegskoalition basisdemokratischer Bewegungen in Russland gearbeitet (u.a. „Feministischer Antikriegswiderstand“, „Students Against War“);
  • Eine Plattform zur Vernetzung demokratischer europäischer Diaspora-Aktivist*innen entwickelt

Als Reaktion auf Vesnas Arbeit führte die Polizei bei einigen Aktivist*innen Razzien durch. Sie wurden anschließend strafrechtlich verfolgt. Und im September reichte die Staatsanwaltschaft in St. Petersburg Klage ein, mit dem Ziel, die Bewegung als „extremistische Organisation“ einzustufen.

Trotz aller Verfolgungen und politischer Repressionen, denen wir ausgesetzt sind, wollen wir unsere Arbeit keinesfalls einstellen. Wir werden weiterhin die Werte der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigen und verbreiten.

Text:  Milana Shesterikova, Aktivistin für Vesna im moskauer Büro und Studentin an der Moskauer Schule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.

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The Game - Spiel zwischen Leben und Tod

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Ein Gastbeitrag von Lisa Storck

„Keiner von uns würde sein Haustier in so einem Zustand Leben lassen“. Zehida ist Flüchtlingshelferin in Bosnien und Herzegowina, nahe der Grenze zum EU-Mitgliedsstaat Kroatien. Tausende Menschen stranden hier auf ihrer Flucht in die EU. Was die kroatischen Behörden illegalen Grenzübertritt nennen, nennen die Flüchtenden ‚The Game‘ – Ein Spiel zwischen Leben und Tod. Fast alle hausen unter menschenunwürdigen Bedingungen: in leerstehenden maroden Häusern, alten Trümmern oder unter Planen im Wald. Es fehlt am Allernötigsten und vor allem an einer Perspektive.

Im März 2020 gründeten Bernd Karmann und Manuela Federl den Verein Lautlos e. V., um einen Hilfstransport für die bosnische NGO SOS Bihac zu organisieren. Da ahnen sie noch nicht das Ausmaß der Lage. Eindrucksvoll halten sie in ihrem Dokumentarfilm die schlimmen Zustände an der Grenze fest.

Sie begleiten die Flüchtenden und lernen Helfer*innen wie Zehida kennen. Sie interviewen Menschenschmuggler und Anwohner*innen. Dabei halten sie fest: „Die Menschen haben kaum etwas zu essen, sie schlafen in Ruinen und viele haben Krätze und Wunden, die nie heilen konnten. Alle, die nicht mit den Flüchtenden Gewinn machen, demonstrieren gegen sie. Bosnische und ausländische Helfer*innen bewegen sich in dem Chaos zwischen diesen Spielern.“

Im November lud Dietmar Manuela und Bernd in die Schauburg nach Dortmund zur Filmvorstellung ein. In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden die Verurteilung der Menschenrechtsverstöße und die politische Forderung nach einer Migrationspolitik, die die Schwächsten unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt, deutlich. Denn als Manuela und Bernd Dietmar Anfang Januar zum ersten Mal kontaktierten, fassten sie vollkommen richtig zusammen: „Der Film untersucht die humanitäre Krise an der EU-Außengrenze: nur 600 Kilometer entfernt von uns. Und er zeigt unerbittlich, was es heißt, wenn ein Menschenleben nichts wert ist.“

Alle Informationen und die Möglichkeit zu spenden gibt es unter www.lautlos-verein.org.

Foto: Kristof Huf

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LGBTQI+ und Flucht - Ein Kampf um Anerkennung und Sicherheit

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Ein Gastbeitrag von Ruth Berkowitz

Weltweit werden queere Menschen diskriminiert und unterdrückt. Allein in 69 Staaten werden sie strafrechtlich verfolgt und in 11 Ländern werden Todesstrafen gegen sie verhängt. Für die, die sich entscheiden zu fliehen, gehen der Kampf um Anerkennung und der Wunsch nach Sicherheit im Ankunftsland weiter. Eine fehlende Sensibilisierung bei der Zuordnung in Gemeinschaftsunterkünfte führt dazu, dass diese oft kein sicherer Ort für sie sind. Stigmatisierung, Anfeindung und nicht zuletzt körperliche Angriffe, denen sie schon in ihren Heimatländern ausgesetzt waren, sind auch in den Unterkünften traurige Realität. Besonders hervorzuheben ist dabei die Situation von Trans*Personen. Meist werden sie auf Grundlage des ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts registriert und auch die Aufnahme oder Weiterführung einer Geschlechtsanpassung wird unmöglich gemacht. Oft werden sie körperlich attackiert, was zusätzlich belastend ist. 

Doch nicht nur die Situation in den Unterkünften stellt ein Problem dar. So müssen queere Flüchtende, um rechtliche Anerkennung zu finden, ‚glaubhaft‘ ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität vermitteln, was ihnen dann nur allzu oft von den Behörden abgesprochen wird. Ein positives Signal gibt es allerdings: Im September schaffte die Ampelregierung Abschiebungen unter dem bislang genutzten Vorwand, ein „diskretes Leben im Herkunftsland“ sei möglich, ab. 

Ein weiteres Problem bleibt aber die Einstufung von „sicheren Herkunftsländern“. Die Bundesregierung sieht viele Länder als sicher an, in denen queeren Menschen Verfolgung und Bestrafung drohen. Sie werden abgeschoben. All dies zeigt, dass es zahlreiche Missstände im Umgang mit queeren Geflüchteten gibt. Diese Ungerechtigkeit muss bekämpft werden, um endlich geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgrund anzuerkennen und den Betroffenen eine sichere Zukunft in der EU zu ermöglichen.  

Text: Ruth Berkowitz

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Zwischen Eskalationsgefahren und Hoffnung auf Verhandlungen

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Am Abend des 15. November stockte vielen Menschen der Atem. Die Medien meldeten Explosionen in der polnischen Grenzregion zur Ukraine. Wer vermutete – oder besser: befürchtete – nicht, dass es sich hier um eine russische Rakete handelte? Es drohte eine weitere Eskalation in diesem grauenhaften Krieg. Artikel 4 und 5 des NATO-Vertrags wurden diskutiert. Letzterer beinhaltet die Beistandsklausel, der die NATO in den Krieg geführt hätte. Wahrscheinlich war die Welt nie näher an einem neuen Weltkrieg seit der Kubakrise von 1962. Der österreichische Standard schrieb schon: Wir müssen uns auf einen Krieg einstellen. Für das ZDF war schnell klar: Polen bestätigt Einschlag russischer Raketen. Das nahm u.a. die Ober-Bellizistin und Waffenlobbyistin Strack-Zimmermann von der FDP ungeprüft zum Anlass, zu behaupten, dass es sinnlos wäre, überhaupt über Verhandlungen nachzudenken. Das Ganze war ein Versagen aller Medien, die bezüglich des hochbrisanten Themas Frieden und Krieg nicht abgesicherte Meldungen verbreiteten. 

Anders ist die eher besonnene Reaktion der NATO und der polnischen Regierung zu bewerten. Sie hielten sich zunächst zurück und stellten schnell klar, dass es sich nicht um einen Angriff Russlands auf Polen, sondern um eine fehlgeleitete ukrainische Luftabwehrrakete handelte. Selensky stellte das als Einziger infrage, denn er verfolgt das Interesse, die NATO als direkte Kriegspartei zu involvieren. Damit besteht das Risiko, dass alle Dämme brechen.

Der schwere Zwischenfall zeigt, wie groß die Eskalationsgefahr ist, in einen Weltkrieg hineinzurutschen. Das muss verhindert werden, koste es was es wolle. In den USA mehren sich die Stimmen, die auf eine politische Lösung drängen. So zuletzt Armeegeneral Mark Milley, der Chef der Joint Chiefs of Staff und der oberste US-Militäroffizier.

Die EU-Kommission jedoch ist hinsichtlich des Themas Diplomatie völlig blank. Kommissionspräsidentin von der Leyen setzt darauf, die Entscheidung auf dem Schlachtfeld zu suchen. Das wird einer EU, die mal den Friedensnobelpreis erhalten hat, nicht gerecht. Zumal Europa in einem Weltkrieg als erstes zerstört würde.

Die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine bleibt unverzichtbar. Die barbarischen Angriffe der russischen Armee mittels Raketen und Drohnen auf die zivile Infrastruktur ist schärfstens zu verurteilen. Die Ukrainer*innen brauchen alle Unterstützung, um durch den Winter zu kommen. Wenn Wasser- und Stromversorgung zerstört sind, geht es um das nackte Überleben. Zivile und ökonomische Hilfe sind geboten, wie auch die Lieferung von Flugabwehrraketen.

Es ist schwer nachzuvollziehen, dass ukrainische Behörden den SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich auf eine Liste von „Informationsterroristen“ gesetzt haben, zusammen u.a. mit den Politikwissenschaftlern Johannes Varwick und Christian Hacke. Sie sollen als „Kriegsverbrecher“ vor Gericht landen. Das ist hinsichtlich der Tatsache, dass die SPD-geführte Regierung der Ukraine Ausrüstung, Geld und Waffen liefert und eine Million ukrainische Flüchtlinge in Deutschland versorgt, schwer erträglich.

Nur die Diplomatie kann wichtige Fortschritte erzielen. Das zeigen beispielsweise das auf Vermittlung der Vereinten Nationen am 19. November verlängerte Getreideabkommen zwischen der Ukraine und Russland, die Gefangenenaustausche oder die Bemühungen der Vereinten Nationen, um das Atomkraftwerk Saporischschja eine demilitarisierte Zone zu schaffen. 

Wer nur auf Waffen setzt, wird die Welt in den Abgrund führen. Wer auf Diplomatie setzt, schafft die Grundlage für Frieden. Die Waffen müssen endlich schweigen!

Text: Prof. Dr. Dietmar Köster

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