Tunesische Regierung verweigert EU-Abgeordneten die Einreise
Am 13. September erreichte unser Brüsseler Büro die Nachricht, dass die tunesische Regierung der gesamten Delegation des Europäischen Parlaments, der Dietmar angehört, die Einreise verweigert. Als Grund wurden kritische Äußerungen zweier EU-Parlamentarier gegen die tunesische Regierung genannt.
Seit vier Jahren sorgt der tunesische Machthaber Kais Saied für negative Schlagzeilen. Seine Migrationspolitik ist durch und durch von Rassismus gegenüber Menschen aus der Sub-Sahara geprägt. Besonders schrecklich waren die Massenabschiebungen tausender Menschen in die militarisierten Wüstengrenzen zu Algerien und Libyen vor einigen Monaten. Alleine 27 Leichen wurden im August 2023 an der tunesisch-libyschen Grenze geborgen. Viele Menschen werden vermisst und sind vermutlich bei Temperaturen von mehr als 40 Grad verdurstet oder aus anderen Gründen gestorben.
Wo soll diese Migrationspolitik hinführen?
Die Geschehnisse in Tunesien sorgen für Empörung in Europa. Das selbsternannte „Team Europe“, bestehend aus der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte und der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni, verkündeten im Juni einen „Etappensieg“: ein Migrationspakt mit Tunesien. Tunesien erhält nun Millionenzahlungen aus europäischen Steuergeldern und soll im Gegenzug Migrant*innen an der eigenen Seegrenze aufhalten. In ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union verkündete von der Leyen, diesen Deal als Blaupause für weitere Migrationsabkommen mit Drittstaaten zu verwenden. Das „Team Europe“ war allerdings nicht demokratisch legitimiert.
Das Muster ist offensichtlich: Die Flüchtlinge und Migrant*innen sollen um jeden Preis von Europa ferngehalten werden. Dafür wird systematisch drangsaliert, gequält und getötet. Tunesien ist kein sicherer Hafen! Zumal die tunesische Küstenwache immer wieder Verbrechen begeht. Beispielsweise stiehlt sie die Motoren von Flüchtlingsbooten und überlässt die Menschen auf offenem Meer ihrem Schicksal. Und mit zwielichtigen Hinterzimmerdeals wird man einer menschenwürdigen Migrationspolitik ganz und gar nicht gerecht.
Text: Elias Noeske. Er studiert Internationale Beziehungen in Regensburg und lebte bis vor Kurzem in Tel Aviv. Er hat sich im Studium auf Auswärtige Politik spezialisiert und arbeitet aktuell als Praktikant im Brüsseler Büro
„Unser Haus“ - Menschenrechtsorganisation in Belarus
Month: September 2023
Schon seit einiger Zeit steht Dietmar im Austausch mit Olga Karatch und der belarusischen Organisation „Unser Haus“, um vor allem die Rechtslage und Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern zu stärken. Es gibt aber leider Grund zur Besorgnis. Im August wurde Olga Karatch Asyl in Litauen verweigert, weil sie angeblich eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstelle. Die Vorwürfe gegen die mit Preisen ausgezeichnete Menschenrechtsaktivistin sind unhaltbar.
Das Menschenrechtsnetzwerk Nash Dom, zu Deutsch „Unser Haus“, Englisch „Our House“, setzt sich für die Interessen der belarusischen Bürger*innen ein. Es wurde 2005 gegründet und hatte zeitweilig Gruppen in 15 Orten in Belarus. Das Netzwerk organisiert öffentliche Kampagnen, unterstützt Aktivist*innen, wenn diese Opfer von staatlicher Repression und Gewalt werden und deckt immer wieder Missstände in der belarusischen Politik auf. Es organisiert öffentliche Kampagnen, um Politiker*innen zur Rechenschaftslegung aufzufordern und unterstützt Aktivist*innen, wenn diese Opfer von staatlicher Repression und Gewalt werden. Auch und gerade Frauen, die politisch aktiv sind und gegen die Regierung von Alexander Lukaschenko aufbegehren, müssen mit massiven Repressionen rechnen.
Seit den gefälschten Präsidentschaftswahlen 2020 und der Protestwelle, die auf sie folgte, sind viele der Aktivist*innen im Exil in Litauen. Von dort aus setzen sie ihre Arbeit fort, sei es gegen langjährige Haftstrafen für Minderjährige oder sei es bei der Dokumentation von Übergriffen durch die „Sicherheitskräfte“.
Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich das Engagement von Nash Dom erneut erweitert. Wesentlich ist im Moment eine Kampagne, die belarusische Männer aufruft, sich der Rekrutierung zum Militär zu entziehen. Hintergrund ist die Befürchtung, dass Belarus auf der Seite Russlands in den Krieg in die Ukraine eintreten will oder Rekruten unter dem Deckmantel von Militärübungen auf der Seite Russlands eingesetzt werden. Außerdem untersucht und berichtet Nash Dom über Repressionen gegen die Opposition, die weiter zugenommen hat und führt ein Monitoring über das belarusische Militär durch. So berichteten sie u.a. über die hohe Zahl von Selbstmorden in der Armee.
Die Gründerin von Nash Dom, Olga Karatch, ist auch im Exil in Litauen vielfachen Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt. Umso unverständlicher, dass Litauen ihr das politische Asyl bislang verweigert.
Text: „Unser Haus“
GEAS: Kurz vor der Einigung, sich weiter abzuschotten
Month: September 2023
Bis Ende des Jahres soll der neue Pakt zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) ausverhandelt sein. „Eine historische Chance für eine Einigung auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem“ nennen es spanische Ratspräsidentschaft und EU-Kommission. Ein Scheitern soll verhindert werden, denn nächstes Jahr wird das EU-Parlament neu gewählt.
Es sind daher Einigungen um jeden Preis zu befürchten. Es wird über eine Vielzahl von besorgniserregenden Regelungen diskutiert, die für den Krisenfall noch verschärft werden sollen. Nur das EU-Parlament kann jetzt noch zur Schadensbegrenzung beitragen. Ihm kommt eine zentrale Bedeutung zu.
Denn die geplante Ausweitung der Grenzverfahren lässt erwarten, dass sich die humanitären Missstände an den EU-Außengrenzen noch verschlimmern und es zu weiteren Inhaftierungen an den EU-Außengrenzen kommt. Dass Minderjährige von den Grenzverfahren ausgenommen werden sollen, ist zwar zu begrüßen. Das muss aber auch für Kinder bis zum 18. Lebensjahr gelten und für Familien.
Die größte Gefahr für den individuellen Flüchtlingsschutz in der EU liegt in dem Vorschlag, die Anwendung des Konzepts von „sicheren Drittstaaten“ auszuweiten und die Anforderungen hinsichtlich des anzuwendenden Schutzes abzusenken. Das kann dazu führen, dass Menschen von der inhaltlichen Asylprüfung in der EU gänzlich ausgeschlossen werden.
Das Ziel, mit dem EU-Pakt die Zahl der Schutzsuchenden zu verringern, wird wohl nicht funktionieren. Sowohl 2022 als auch 2023 kamen die meisten Asylsuchenden in der EU aus Syrien und Afghanistan – Länder, die von Konflikten und Verfolgung geprägt sind und in die auf absehbare Zeit niemand zurückkehren kann.
Erstaufnahmeländer sollen weiterhin die Verantwortung tragen, denn die Übernahme von Flüchtenden durch andere Mitgliedstaaten ist freiwillig und kann das nach den jüngsten Plänen auch bleiben. Was fehlt, ist vor allem der politische Wille zur Schaffung eines solidarischen und verpflichtenden Systems zur Verantwortungsteilung.
Text: Hannah Adzakpa, Kontaktstelle Politik Europa, Deutscher Caritasverband; Martin Beißwenger, Referat Migration und Integration, Deutscher Caritasverband
Menschenrechte bei Lieferketten einhalten
Month: September 2023
Am 1. Juni beschloss das Europäische Parlament (EP) das wichtige Lieferkettengesetz. Es soll dafür sorgen, dass große Unternehmen, die in der EU ansässig oder tätig sind, Menschenrechts- und Umweltverstöße in ihrer Wertschöpfungskette erkennen und verhindern. Firmen, die in der EU wirtschaftlich aktiv sind, müssen entlang der gesamten weltweiten Wertschöpfungskette dafür sorgen, dass Menschenrechte und Regeln zum Klimaschutz gelten.
Betroffen sind nach dem Parlamentsbeschluss Unternehmen mit 500 und später mit 250 Beschäftigten. Auch Unternehmen außerhalb der EU mit mehr als 150 Millionen Euro Umsatz, von denen 40 Millionen Euro in der EU erwirtschaftet werden, unterliegen der Richtlinie. Eine weitere Neuerung gegenüber dem deutschen Lieferkettengesetz ist, dass die EU-Richtlinie neben Zulieferern die gesamte Kette betrifft, also auch Verkauf, Vertrieb und Logistik.
Nur jedes dritte Unternehmen prüft, ob bei den eigenen Lieferketten Menschenrechte und der Umweltschutz eingehalten werden. Immer noch schaffen es viele Produkte in europäische Supermärkte, die durch Sklavenarbeit produziert worden sind oder die mit Landvertreibungen oder Umweltverschmutzung einhergehen. Das EP will dafür sorgen, dass europäische Unternehmen, wie nach der Rana Plaza-Katastrophe vor zehn Jahren, bei der mehr als 1000 Menschen in einer Textilfabrik in Bangladesch starben, zur Verantwortung gezogen werden. Darüber hinaus soll beispielsweise keine Schokolade mehr in die Supermärkte kommen, die durch Kinderarbeit erzeugt oder Weihnachtsbaumschmuck über die Ladentheke gehen, der durch Zwangsarbeit hergestellt wurde. Die Berichte über Niedriglöhne, mangelnden Arbeitsschutz, 152 Millionen Kinder, die weltweit Kinderarbeit leisten, 25 Millionen Menschen, die in neuartige Formen von Sklavenarbeit gezwungen werden, zeigen auf wie wichtig es ist, hier endlich gesetzliche Regelungen zu schaffen. Wenn Rechte verletzt werden, müssen Arbeitnehmer*innen überall in der Welt vor Gerichten klagen können, um ihre Interessen durchzusetzen. Das Lieferkettengesetz kann so ein zentraler Baustein für eine menschenrechtsfundierte Art des Wirtschaftens in der EU werden.
Rechtsextreme und nationalkonservative Parteien sowie die CDU/CSU wollten wichtige Aspekte des EU-Lieferkettengesetzes besonders beim Klimaschutz und der Einbeziehung des Finanzsektors verwässern. Der Finanzsektor spielt eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung von Sorgfaltspflichten. Er finanziert viele Unternehmen in ihren globalen Wirtschaftstätigkeiten durch Kredite. Ihn nicht einzubinden, wäre grundfalsch.
Nach dem Parlamentsbeschluss wird das Gesetz nun zwischen EP, Kommission und Rat (Trilog) verhandelt. Die Gespräche kommen nur schleppend voran. Das EP verfolgt dabei einen klareren Ansatz zum Schutz von Menschenrechten und Klima, aber die EU-Staaten sind gespalten. Das EP muss deshalb Druck auf den Rat ausüben, damit dieser nicht damit durchkommt, das Lieferkettengesetz zu verwässern. Die europäische Sozialdemokratie wird für ein nachhaltiges Lieferkettengesetz kämpfen.
Text: Prof. Dr. Dietmar Köster
Einladung zur Filmvorführung in Dortmund
Month: September 2023
Der SPD-Europaabgeordnete Prof. Dr. Dietmar Köster lädt zur Filmvorführung ein:
Styx
am 27. Oktober 2023 um 18 Uhr
im Lichtspiel- und Kunsttheater Schauburg Dortmund,
Brückstraße 66, 44135 Dortmund
Im Anschluss an die Filmvorführung diskutieren
- Wolfgang Fischer (Regie und Drehbuch des Films),
- Dorothee Krämer (Sea-Watch e.V.)
- Anja Sportelli (Seebrücke Dortmund),
- Paul Gerhard Stamm (Netzwerk der Dortmunder Flüchtlingshelfer*innen-Initiativen)
- Cüneyt Karadas (Mitglied der SPD-Ratsfraktion Dortmund) und
- Dietmar Köster (Mitglied des Europäischen Parlaments).
Zum Film
Das Drama zeichnet das Erleben und Empfinden einer Kölner Ärztin, die während eines Segeltörns in den Südatlantik auf ein Fischerboot in Seenot trifft, auf dem sich Geflüchtete in akuter Lebensgefahr befinden.
Ihre menschliche und berufliche Pflicht zu helfen wird jäh gestört mit der Antwort auf ihren Hilferuf: Die Fragen nach dem Helfen können und Helfen dürfen hat sie sich vorher nicht gestellt. Man kann zusehen, wie die menschliche, moralische, gesetzliche und politische Ambivalenz die Protagonistin schrittweise zermürbt, erschüttert und traumatisiert. In einer Mischung aus ziellosen Einzelhandlungen bis hin zur Handlungsunfähigkeit sieht sie dem nahenden Tod und dem Sterben der Menschen zu, wie wir, durch ihre Augen.
Der Film offenbart die politische und moralische Zerrissenheit innerhalb der EU hinsichtlich der Seenotrettung Geflüchteter, eine Situation die endlich gemeinsame Regelungen und Richtlinien braucht, die den Menschenrechten und den gemeinsamen europäischen Werten gerecht werden.
Anmeldung
Plätze für die Filmvorführung können unter www.dietmar-koester.eu/platzreservierung, per Mail an info@dietmar-koester.euoder tel. über das Europabüro Wetter unter 02335 5222 reserviert werden. Aufgrund des begrenzten Platzangebotes in der Schauburg empfehlen wir eine frühzeitige Anmeldung. Pro Person ist die Reservierung von maximal 4 Plätzen möglich. Eine schriftliche Reservierungsbestätigung erfolgt nicht.
Bitte beachten Sie, dass die Veranstaltenden es sich vorbehalten, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.