Stimmerklärung zur Abstimmung über die Gemeinsame Resolution zur Einstufung der Russischen Föderation als dem Terrorismus Vorschub leistender Staat

Lisa

Ich verurteile den Russischen Angriffskrieg weiterhin aufs Schärfste. Russland begeht in der Ukraine Kriegsverbrechen, die in einem internationalen Rechtrahmen geächtet sind. Der Begriff „Terrorismus“ ist dagegen in der EU juristisch unbestimmt und verharmlost somit diese Kriegsverbrechen. Die Gräueltaten der russischen Regierung müssen klar definiert werden können. Die Bezeichnung Russlands als terrorunterstützender Staat wird dem nicht gerecht.

Die Einstufung als terrorunterstützender Staat verfolgt das Ziel, Diplomatie und Verhandlungen zur Beendigung des Krieges auszuschließen. Stattdessen soll eine Entscheidung auf dem Schlachtfeld gesucht werden. Das erhöht die Gefahr, dass die NATO in den Krieg hineingezogen wird.

Das Europäische Parlament als eine der Institutionen der Friedensnobelpreisträgerin EU sollte nach einem diplomatischen Ausweg aus dem Krieg suchen und die drohende Gefahr eines Atomkrieges abwenden.

In den USA wird zunehmend darüber diskutiert, die Chancen von Verhandlungen auszuloten. Das Europäische Parlament fällt mit dieser Resolution weit hinter die US-amerikanische Debatte zurück. Sowohl das Europäische Parlament, als auch die EU sollten weiter ihre Solidarität mit der Ukraine zeigen und an einer diplomatischen Strategie arbeiten, die das Ziel verfolgt, diesen schrecklichen Krieg in Europa schnellstmöglich zu beenden.

Aus diesen Gründen habe ich gegen diese Resolution gestimmt.


Die Demokratische Jugendbewegung Vesna

Lisa

Ein Gastbeitrag von Milana Shesterikova

Im Rahmen der von Dietmar gegründeten interfraktionellen Migrationsgruppe im Europäischen Parlament war im vergangenen Oktober Milana Shesterikova von der oppositionellen russischen Vesna-Bewegung zu Gast. Die Aktivistin hat sich bereit erklärt, mit einem Gastbeitrag Einblicke in ihre Arbeit zu geben.

Vesna ist eine demokratische Jugendbewegung, die mehr als hundert junge Liberale, Demokrat*innen und Menschenrechtsaktivist*innen verbindet. Sie wurde 2013 in St. Petersburg gegründet. Seitdem sind Regionalabteilungen in Moskau, Nowosibirsk, Tscheljabinsk und vielen weiteren Städten tätig. Aktivist*innen, die im Ausland leben, sind innerhalb der Diaspora mit Vesna verbunden. Unsere Bewegung kämpft für ein demokratisches Russland, in dem Menschenrechte und Freiheiten die grundlegenden gesellschaftlichen Werte sind.

Die Vesna-Aktivist*innen waren die ersten politischen Treiber*innen einer Antikriegskampagne unmittelbar nach Beginn der Invasion Russlands am 24. Februar 2022. Seitdem haben wir zahlreiche Dinge auf den Weg gebracht:

  • Massenproteste gegen den Krieg koordiniert;
  • Medienarbeit gestartet und eine Agitationskampagne in den sozialen Netzwerken der Bewegung durchgeführt;
  • Antikriegspetitionen erstellt, offene Appelle und Briefe an die Behörden, die Polizei, das Militär, die Patriarchen etc. veröffentlicht;
  • Antikriegspropaganda gemacht und Aufkleber, Flugblätter und Plakate gegen den Krieg verteilt;
  • An der Schaffung einer Antikriegskoalition basisdemokratischer Bewegungen in Russland gearbeitet (u.a. „Feministischer Antikriegswiderstand“, „Students Against War“);
  • Eine Plattform zur Vernetzung demokratischer europäischer Diaspora-Aktivist*innen entwickelt

Als Reaktion auf Vesnas Arbeit führte die Polizei bei einigen Aktivist*innen Razzien durch. Sie wurden anschließend strafrechtlich verfolgt. Und im September reichte die Staatsanwaltschaft in St. Petersburg Klage ein, mit dem Ziel, die Bewegung als „extremistische Organisation“ einzustufen.

Trotz aller Verfolgungen und politischer Repressionen, denen wir ausgesetzt sind, wollen wir unsere Arbeit keinesfalls einstellen. Wir werden weiterhin die Werte der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigen und verbreiten.

Text:  Milana Shesterikova, Aktivistin für Vesna im moskauer Büro und Studentin an der Moskauer Schule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.

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The Game - Spiel zwischen Leben und Tod

Lisa

Ein Gastbeitrag von Lisa Storck

„Keiner von uns würde sein Haustier in so einem Zustand Leben lassen“. Zehida ist Flüchtlingshelferin in Bosnien und Herzegowina, nahe der Grenze zum EU-Mitgliedsstaat Kroatien. Tausende Menschen stranden hier auf ihrer Flucht in die EU. Was die kroatischen Behörden illegalen Grenzübertritt nennen, nennen die Flüchtenden ‚The Game‘ – Ein Spiel zwischen Leben und Tod. Fast alle hausen unter menschenunwürdigen Bedingungen: in leerstehenden maroden Häusern, alten Trümmern oder unter Planen im Wald. Es fehlt am Allernötigsten und vor allem an einer Perspektive.

Im März 2020 gründeten Bernd Karmann und Manuela Federl den Verein Lautlos e. V., um einen Hilfstransport für die bosnische NGO SOS Bihac zu organisieren. Da ahnen sie noch nicht das Ausmaß der Lage. Eindrucksvoll halten sie in ihrem Dokumentarfilm die schlimmen Zustände an der Grenze fest.

Sie begleiten die Flüchtenden und lernen Helfer*innen wie Zehida kennen. Sie interviewen Menschenschmuggler und Anwohner*innen. Dabei halten sie fest: „Die Menschen haben kaum etwas zu essen, sie schlafen in Ruinen und viele haben Krätze und Wunden, die nie heilen konnten. Alle, die nicht mit den Flüchtenden Gewinn machen, demonstrieren gegen sie. Bosnische und ausländische Helfer*innen bewegen sich in dem Chaos zwischen diesen Spielern.“

Im November lud Dietmar Manuela und Bernd in die Schauburg nach Dortmund zur Filmvorstellung ein. In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden die Verurteilung der Menschenrechtsverstöße und die politische Forderung nach einer Migrationspolitik, die die Schwächsten unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt, deutlich. Denn als Manuela und Bernd Dietmar Anfang Januar zum ersten Mal kontaktierten, fassten sie vollkommen richtig zusammen: „Der Film untersucht die humanitäre Krise an der EU-Außengrenze: nur 600 Kilometer entfernt von uns. Und er zeigt unerbittlich, was es heißt, wenn ein Menschenleben nichts wert ist.“

Alle Informationen und die Möglichkeit zu spenden gibt es unter www.lautlos-verein.org.

Foto: Kristof Huf

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LGBTQI+ und Flucht - Ein Kampf um Anerkennung und Sicherheit

Lisa

Ein Gastbeitrag von Ruth Berkowitz

Weltweit werden queere Menschen diskriminiert und unterdrückt. Allein in 69 Staaten werden sie strafrechtlich verfolgt und in 11 Ländern werden Todesstrafen gegen sie verhängt. Für die, die sich entscheiden zu fliehen, gehen der Kampf um Anerkennung und der Wunsch nach Sicherheit im Ankunftsland weiter. Eine fehlende Sensibilisierung bei der Zuordnung in Gemeinschaftsunterkünfte führt dazu, dass diese oft kein sicherer Ort für sie sind. Stigmatisierung, Anfeindung und nicht zuletzt körperliche Angriffe, denen sie schon in ihren Heimatländern ausgesetzt waren, sind auch in den Unterkünften traurige Realität. Besonders hervorzuheben ist dabei die Situation von Trans*Personen. Meist werden sie auf Grundlage des ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts registriert und auch die Aufnahme oder Weiterführung einer Geschlechtsanpassung wird unmöglich gemacht. Oft werden sie körperlich attackiert, was zusätzlich belastend ist. 

Doch nicht nur die Situation in den Unterkünften stellt ein Problem dar. So müssen queere Flüchtende, um rechtliche Anerkennung zu finden, ‚glaubhaft‘ ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität vermitteln, was ihnen dann nur allzu oft von den Behörden abgesprochen wird. Ein positives Signal gibt es allerdings: Im September schaffte die Ampelregierung Abschiebungen unter dem bislang genutzten Vorwand, ein „diskretes Leben im Herkunftsland“ sei möglich, ab. 

Ein weiteres Problem bleibt aber die Einstufung von „sicheren Herkunftsländern“. Die Bundesregierung sieht viele Länder als sicher an, in denen queeren Menschen Verfolgung und Bestrafung drohen. Sie werden abgeschoben. All dies zeigt, dass es zahlreiche Missstände im Umgang mit queeren Geflüchteten gibt. Diese Ungerechtigkeit muss bekämpft werden, um endlich geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgrund anzuerkennen und den Betroffenen eine sichere Zukunft in der EU zu ermöglichen.  

Text: Ruth Berkowitz

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Zwischen Eskalationsgefahren und Hoffnung auf Verhandlungen

Lisa

Am Abend des 15. November stockte vielen Menschen der Atem. Die Medien meldeten Explosionen in der polnischen Grenzregion zur Ukraine. Wer vermutete – oder besser: befürchtete – nicht, dass es sich hier um eine russische Rakete handelte? Es drohte eine weitere Eskalation in diesem grauenhaften Krieg. Artikel 4 und 5 des NATO-Vertrags wurden diskutiert. Letzterer beinhaltet die Beistandsklausel, der die NATO in den Krieg geführt hätte. Wahrscheinlich war die Welt nie näher an einem neuen Weltkrieg seit der Kubakrise von 1962. Der österreichische Standard schrieb schon: Wir müssen uns auf einen Krieg einstellen. Für das ZDF war schnell klar: Polen bestätigt Einschlag russischer Raketen. Das nahm u.a. die Ober-Bellizistin und Waffenlobbyistin Strack-Zimmermann von der FDP ungeprüft zum Anlass, zu behaupten, dass es sinnlos wäre, überhaupt über Verhandlungen nachzudenken. Das Ganze war ein Versagen aller Medien, die bezüglich des hochbrisanten Themas Frieden und Krieg nicht abgesicherte Meldungen verbreiteten. 

Anders ist die eher besonnene Reaktion der NATO und der polnischen Regierung zu bewerten. Sie hielten sich zunächst zurück und stellten schnell klar, dass es sich nicht um einen Angriff Russlands auf Polen, sondern um eine fehlgeleitete ukrainische Luftabwehrrakete handelte. Selensky stellte das als Einziger infrage, denn er verfolgt das Interesse, die NATO als direkte Kriegspartei zu involvieren. Damit besteht das Risiko, dass alle Dämme brechen.

Der schwere Zwischenfall zeigt, wie groß die Eskalationsgefahr ist, in einen Weltkrieg hineinzurutschen. Das muss verhindert werden, koste es was es wolle. In den USA mehren sich die Stimmen, die auf eine politische Lösung drängen. So zuletzt Armeegeneral Mark Milley, der Chef der Joint Chiefs of Staff und der oberste US-Militäroffizier.

Die EU-Kommission jedoch ist hinsichtlich des Themas Diplomatie völlig blank. Kommissionspräsidentin von der Leyen setzt darauf, die Entscheidung auf dem Schlachtfeld zu suchen. Das wird einer EU, die mal den Friedensnobelpreis erhalten hat, nicht gerecht. Zumal Europa in einem Weltkrieg als erstes zerstört würde.

Die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine bleibt unverzichtbar. Die barbarischen Angriffe der russischen Armee mittels Raketen und Drohnen auf die zivile Infrastruktur ist schärfstens zu verurteilen. Die Ukrainer*innen brauchen alle Unterstützung, um durch den Winter zu kommen. Wenn Wasser- und Stromversorgung zerstört sind, geht es um das nackte Überleben. Zivile und ökonomische Hilfe sind geboten, wie auch die Lieferung von Flugabwehrraketen.

Es ist schwer nachzuvollziehen, dass ukrainische Behörden den SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich auf eine Liste von „Informationsterroristen“ gesetzt haben, zusammen u.a. mit den Politikwissenschaftlern Johannes Varwick und Christian Hacke. Sie sollen als „Kriegsverbrecher“ vor Gericht landen. Das ist hinsichtlich der Tatsache, dass die SPD-geführte Regierung der Ukraine Ausrüstung, Geld und Waffen liefert und eine Million ukrainische Flüchtlinge in Deutschland versorgt, schwer erträglich.

Nur die Diplomatie kann wichtige Fortschritte erzielen. Das zeigen beispielsweise das auf Vermittlung der Vereinten Nationen am 19. November verlängerte Getreideabkommen zwischen der Ukraine und Russland, die Gefangenenaustausche oder die Bemühungen der Vereinten Nationen, um das Atomkraftwerk Saporischschja eine demilitarisierte Zone zu schaffen. 

Wer nur auf Waffen setzt, wird die Welt in den Abgrund führen. Wer auf Diplomatie setzt, schafft die Grundlage für Frieden. Die Waffen müssen endlich schweigen!

Text: Prof. Dr. Dietmar Köster

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"Geben wir dem Frieden eine Chance!" Rede im EU Parlament

Lisa

Meine heutige Rede im Europäischen Parlament: „Dieser völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine muss so schnell wie möglich beendet werden. Die neusten Maßnahmen des russischen Regimes, wie die illegalen Referenden, die erneute Annexion und die Drohung Atomwaffen einzusetzen, muss die internationale Gemeinschaft strikt zurückweisen. Ein Atomkrieg wird zur vollkommenen Vernichtung aller Seiten führen. Er muss verhindert werden.
Und daher muss jetzt endlich die Diplomatie zu ihrem Recht kommen.
 
Es muss auf allen politischen Ebenen Verhandlungsangebote gemacht werden, um einen Waffenstillstand und ein Einfrieren des Konflikts zu erreichen. Leider ist in dieser Hinsicht die Kommission vollkommen untätig.
 
Der einseitige Ansatz der Bellizist*innen, zuvörderst auf Waffen zu setzen und die Entscheidung auf dem Schlachtfeld zu suchen, ist ein sehr gefährlicher und riskanter Weg.
 
Zudem sollten wir den Widerstand der Russen gegen den Krieg unterstützen. So haben mittlerweile mehr als 300.000 Männer das Land verlassen, weil sie sich in diesem Krieg nicht verheizen lassen wollen. Aber lediglich ein paar Tausend sind in der EU angekommen.
 
Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und alle die sich diesem Krieg widersetzen, sollten in der EU aufgenommen werden. Dazu brauchen wir umgehend legale Einreisewege und einen koordinierten Mechanismus der EU-Mitgliedstaaten, beispielsweise ein Sonderprogramm.
 
Geben wir dem Frieden eine Chance! Die Waffen müssen schweigen.“

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Gastbeitrag: Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer

Lisa

Am 6. April 2022 erklärte der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel: „Ich habe eine Botschaft für die russischen Soldaten auf dem Schlachtfeld. (…) Wenn Sie keine Verbrecher sein wollen, lassen Sie die Waffen fallen.“ Zugleich merkte er an, dass es eine gute Idee sei, ihnen Asyl zu gewähren.

Nun ist das ein halbes Jahr her und seitdem ist auf der Ebene der Europäischen Union nichts dazu passiert. In vielen Ländern der EU ist es nach wie vor unklar, ob russische Deserteure und Verweigerer einen Schutz erhalten. Die deutsche Bundesregierung hatte immerhin erklärt, dass Deserteure Asyl erhalten sollten, weil ihre Tat in Russland als politische Handlung angesehen werde.

Die Regelung der EU-Qualifizierungsrichtlinie, dass Verweigerer völkerrechtswidriger Kriege Flüchtlingsschutz erhalten sollen, geht jedoch ins Leere, weil die vom Europäischen Gerichtshof gesetzten Kriterien für fast niemand zu erfüllen sind. Und offen bleibt auch die Frage, was mit denjenigen ist, die so klug waren, sich der Rekrutierung zu entziehen, um gar nicht erst einberufen zu werden. Sie gelten als Militärdienstentzieher, bislang ohne Schutz bei einer Flucht ins Ausland.

Connection e.V., ein in Deutschland ansässiger Verein, unterstützt Deserteure und Kriegsdienstverweigerer auf allen Seiten eines Krieges. Für uns steht das Menschenrecht, sich einem Kriegsdienst zu verweigern, höher als die Staatsräson. Und so erschreckt uns sehr zu sehen, dass die ukrainische Regierung erklärte, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung seit Kriegsbeginn in der Ukraine ausgesetzt sei. Es gibt bereits erste Verurteilungen zu mehreren Jahren Haft auf Bewährung.

Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen halten wir hier eine Antwort der Europäischen Union für überfällig. Deserteure und Verweigerer aus Russland und aus Belarus brauchen Schutz und Asyl! Die ukrainische Regierung muss aufgefordert werden, ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung umzusetzen und so den internationalen Anforderungen auf das Menschenrecht zu entsprechen! Und Deserteure und Verweigerer brauchen die Möglichkeit, aus Drittländern in die Europäische Union einzureisen, um hier Schutz zu erhalten.

Text: Rudi Friedrich, Geschäftsführer von Connection e.V., einem in Offenbach/Main ansässigen Verein, der sich seit 30 Jahren für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus Kriegsgebieten einsetzt. Mehr Infos unter www.Connection-eV.org/ObjectWarCampaign 


Interview: Das Leben in Bosnien und Herzegowina als Journalist

Lisa

Haris, wie siehst du die aktuelle Situation in Bosnien und Herzegowina?

Das ist eine schwierige Frage. Du lebst dein Leben, es ist meistens schön, aber du hast das Gefühl, dass eine sehr graue Wolke über dir schwebt, die dein Leben völlig verändern könnte. Diese Wolke ist der Nationalismus, der dazu führen könnte, dass Politiker*innen versuchen, gefährliche Ideen umzusetzen, die diese Region bereits viele unschuldige Menschenleben gekostet haben. Die Lage ist im Moment sehr angespannt und lässt wenig Optimismus zu. Wie immer, brauchen wir die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Doch wir sind uns der Tatsache bewusst, dass es während des Krieges [in der Ukraine] kaum dazu kommen wird. Deshalb haben wir keine andere Möglichkeit als zu hoffen und zu versuchen, mit den internationalen Akteuren zusammenzuarbeiten. Wir müssen dem Land zu helfen, auf den richtigen Weg zu kommen.

Welche politischen Veränderungen sind erforderlich?

Ein Umdenken. Wir müssen aufhören, das ethnisch geprägte Denken zu übernehmen und stattdessen unsere Energie auf wirtschaftlichen Fortschritt, Kosmopolitismus, Offenheit und Empathie verlagern. Es ist hier so schwer, über Korruption zu sprechen, weil sie so tief in der Gesellschaft verwurzelt ist, dass ihre Bekämpfung einem Kampf gegen Windmühlen gleicht. Das ist traurig. Viele junge Menschen verlassen das Land.

Was hält dich dort?

Es sind vor allem meine Familie und meine Arbeit. Aber abgesehen von der katastrophalen politischen Lage kann das Leben hier sehr schön sein, wenn man einen guten Job hat. Es ist auch der Gedanke: Hey, jemand muss für dieses Land kämpfen. Trotzdem kann ich nicht versprechen, dass ich nicht beschließen werde, das Land zu verlassen und in einen weniger korrupten, weniger nationalistischen Teil der Welt zu ziehen.

Wenn du morgen früh in Sarajevo aufwachst und ein Wunder wäre geschehen. Woran würdest du es bemerken?

Am Lächeln in den Gesichtern der Menschen. Ich stelle mir das so vor, dass wir herausgefunden haben, dass es eigentlich egal ist, welcher Religion oder Ethnie man angehört. Dass Bosnien und Herzegowina ein Land ist, in dem alle willkommen sind, solange alle nur wohlwollend sind. Das ist meine letzte Hoffnung, die nicht stirbt – dass dieses Land wirklich ein Vorbild sein kann und dass es Länder übertreffen kann, die ihre Werte nicht auf Interkulturalität gründen

Haris Buljubašić ist Digitaljournalist bei Al Jazeera Balkans. Er berichtet aus verschiedenen Ländern und seine Schwerpunkte sind soziale und politische Themen. Das Interview wurde geführt von: Dr. Sonja Grabowsky


Gastbeitrag: Kommentar zum Weltfriedenstag

Lisa

Jedes Jahr am 21. September läutet die Friedensglocke der Vereinten Nationen (UN) in New York. Sie wurde aus Münzen von Kindern aus verschiedenen Ländern gegossen und enthält die Inschrift „Long live absolute world peace“ – Es lebe der absolute Weltfrieden. Der Weltfriedenstag geht auf eine 1981 vom Vereinigten Königreich und Costa Rica angestoßenen Resolution zurück und wurde zuerst an jedem dritten Dienstag im September begangen. Erst 20 Jahre später wurde er mit einer weiteren Resolution auf den 21. September, den Tag der ursprünglichen Generalversammlung, fixiert.

Die Vereinten Nationen rufen am Internationalen Tag des Friedens zum Tag des Waffenstillstands und der Gewaltlosigkeit auf. Die UN als multilaterale Organisation hat eine friedensstiftende Funktion. Das geht aus ihrem Gründungsvertrag, der Charta der Vereinten Nationen, hervor. Laut Artikel 33 müssen „Streitparteien, deren Fortsetzung die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit gefährden könnte, zunächst eine Lösung durch Verhandlungen, Ermittlungen, Vermittlung […] oder andere friedliche Mittel ihrer Wahl suchen“.

Als internationale Organisation bieten die Vereinten Nationen nicht nur eine wichtige Struktur, die das Zusammenkommen und die Kooperation von Staaten erleichtert. Sie haben sich vielmehr die aktive Aufgabe gegeben, die Diplomatie zum Beilegen internationaler Konflikte zu stärken.

Auch dieses Jahr dürfte das Läuten der Glocken im New Yorker Hauptquartier die Welt daran erinnern, dass sie vom absoluten Weltfrieden noch ein gutes Stück entfernt ist. Und damit ist nicht nur der Krieg in Europa gemeint. Der Global Peace Index hat sich 2022 zum elften Mal in den letzten 14 Jahren verschlechtert. Damit klingt der Slogan der Friedensglocke „Long live absolute world peace“ zwar schön, bis der Frieden aber auch nur annähernd greifbar wird, braucht es noch einiges an Einsatz für den Artikel 33 der UN-Charta.

Text: Lisa Storck, Pressesprecherin und Masterstudentin in „European Studies and Comparative Public Governance“ an der WWU und Twente University


Die Waffen müssen schweigen

Lisa

Gemeinsam mit den beiden Bundestagsabgeordneten Jan Dieren, Jens Peick und dem Europaabgeordneten Joachim Schuster habe ich den Aufruf „Die Waffen müssen schweigen!“ geschrieben. Der Aufruf hat weite Resonanz gefunden und ist ein politischer Faktor in der Debatte über die Meinungshoheit im Ukrainekrieg geworden.

Im Vordergrund des Aufrufs steht die Forderung an die Regierungen des Westens, statt zuvörderst auf Waffenlieferungen zu setzen, der Diplomatie ein größeres Gewicht zu geben, um endlich zu einem Waffenstillstand zu kommen. Die zentrale Botschaft lautet: Die Logik des Militärischen führt in den Abgrund. Die Logik der Diplomatie eröffnet die Chance auf Frieden. Zwischenzeitlich haben sich zu den Erstunterzeichner*innen unter anderem Prof. Dr. Christoph Zöpel (Staatsminister im Auswärtigen Amt a.D.), der Demografieforscher Prof. Gerd Bosbach und Reinhard Todt (Präsident des österreichischen Bundesrats a.D.) gesellt.

Mittlerweile ist der Krieg vorangeschritten. Die Ukraine hat wichtige militärische Erfolge im Nordosten des Landes erzielt und mehrere Städte und Dörfer von den russischen Besatzern befreit (Stand: 16.09.2022). Dabei wurden erneut Gräber mit Zivilist*innen gefunden, die vermutlich dem grausamen Angriffskrieg Russlands zum Opfer fielen. Dies muss unabhängig untersucht werden, um zu prüfen, ob es sich hier um Kriegsverbrechen handelt.

Die russische Regierung muss endlich begreifen, dass sie diesen Krieg nicht gewinnen kann. Sie hat offensichtlich ihre Kriegsziele verfehlt. Allerdings steht auch die Ukraine nicht vor einem militärischen Sieg. Die Geländegewinne der ukrainischen Armee sind kein Wendepunkt in diesem Krieg. Trotz der erfreulichen Siege der ukrainischen Regierung hat Russland nach wie vor die Eskalationsdominanz. Risiken für die Ukraine bestehen zum Beispiel darin, dass die russische Regierung Angriffe auf die Infrastruktur, Wasserversorgung, Energieversorgung etc. ausübt.

Der Westen will nicht in den Krieg hineingezogen werden. Daher schließt er z.B. eine Flugverbotszone aus oder deutsche Soldaten kämpfen nicht auf dem Territorium der Ukraine. Ebenso werden manche Waffengattungen wie Kampfpanzer und Kampfflugzeuge nicht geliefert. Die abwägende Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz ist in dieser Frage vollkommen richtig.

Die russische Regierung hat eine Teilmobilisierung ihrer Reservisten beschlossen und führt Pseudoreferenden über die Selbständigkeit von Regionen im Osten und im Süden der Ukraine durch. Hier droht eine weitere Eskalation des Kriegs, wenn die russische Regierung demnächst behauptet, dass ihr Territorium mit NATO-Waffen angegriffen wird. Ein weiterer Grund, so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand zu kommen. Gegen die Teilmobilisierung gibt es Widerstand in Russland. Die EU sollte all jenen Russen Asyl gewähen, die sich nicht als Soldaten in diesem Krieg zu Komplizen für den Bruch des Völkerrechts missbrauchen lassen wollen. Dazu ist ein Aufnahmeprogramm zu entwickeln.

Der Krieg ist vermutlich noch lange nicht zu Ende. Dennoch muss alles versucht werden, eine politische Lösung voranzutreiben. So sind Verhandlungen über einen Waffenstillstand und einen anschließenden Friedensvertrag auf allen Ebenen zu führen. Es ist ein großer Fehler, nur auf Waffengewalt und nicht auf Diplomatie zu setzen. Insbesondere Washington ist gemeinsam mit den anderen westlichen Staaten, den Vereinten Nationen und unabhängigen Staaten gefordert, endlich neue diplomatische Initiativen zu entwickeln. Wir müssen dem Frieden eine Chance geben.